Waylander der Graue
nicht anlügen. Meine Leute haben ein Bündnis mit, sagen wir, einer anderen mächtigen Gruppe geschlossen. So ist es nun mal im Krieg. Was ich sagen will, ist, dass nicht ich die Untiere in deinen Palast geschickt habe.«
»Was wollt ihr eigentlich hier?«, fragte Waylander. »Es ist doch kein reiches Land.«
»Vielleicht nicht. Aber es gehört uns. Einst wurde es von meinem Volk beherrscht. Wir wurden vorübergehend mit Waffengewalt besiegt. Wir zogen uns zurück. Jetzt kommen wir wieder. Darin liegt nichts wirklich Böses. Es ist lediglich menschlich. Wir wollen, was von Rechts wegen uns gehört, und wir sind bereit, dafür zu kämpfen. Die Frage für dich ist: Ist es dein Kampf? Du bist nicht in Kydor geboren. Du hast einen schönen Palast, Diener und die Freiheit, die nur Reichtum verschaffen kann. Das wird sich nicht ändern. Du bist ein starker, tödlicher Mann, aber ob für uns oder gegen uns, du wirst an dem Ausgang nicht viel ändern.«
»Warum aber bemühst du dich dann um meine Freundschaft?«
»Zum Teil, weil ich dich mag.« Der Magier lächelte. »Und zum Teil, weil du den Bezha getötet hast. Das hätten nicht viele Männer fertig gebracht. Unsere Sache ist nicht ungerecht Dakeyras. Dies war unser Land, und Menschen kämpfen nun einmal um das, was sie für richtig halten. Glaubst du nicht?«
Waylander zuckte die Achseln. »Es heißt, dieses Land lag einst unter dem Meer. Hat es dem Meer gehört? Die Menschen behalten das, wofür sie stark genug sind. Wenn du dieses Land nehmen kannst, dann nimm es. Aber ich werde über das nachdenken, was du gesagt hast.«
»Lass dir nicht zu viel Zeit«, riet Eldicar Manushan. Er wandte sich um, um seinem Pagen zum Strand zu folgen, dann drehte er sich noch einmal um. »Hast du den Leichnam der Priesterin gefunden?«
»Ich fand den Leichnam eines nicht menschlichen Wesens«, erklärte Waylander.
Eldicar Manushan schwieg einen Moment. »Sie war ein Bastard. Ein fehlgeschlagenes Experiment, voller Hass und Bitterkeit. Mein eigener Herr, Deresh Karany, hat viel Zeit und Leidenschaft in ihre Ausbildung investiert. Sie hat ihn verraten.«
»Und er hat die Dämonen geschickt?«
Eldicar breitete die Hände aus. »Ich bin nur ein Diener. Ich kenne nicht alle Pläne meines Herrn.« Er schlenderte davon.
Waylander blieb noch eine Weile vor seiner Wohnung sitzen. Er war ein Jäger, darauf trainiert, seiner Beute zu folgen und sie zu töten. Diese Situation war sehr viel komplizierter und unendlich gefährlicher.
Dazu kam, dass noch ein anderer Spieler an dem Spiel beteiligt war, der sich noch nicht gezeigt hatte.
Wer war Deresh Karany?
Im Laufe der nächsten drei Tage bekam das Leben im Palast wieder den Anschein von Normalität. Die Dienstboten waren noch immer nervös, und viele kauften Schutzamulette auf dem Markt in Carlis und hängten sie an die Türen ihrer Zimmer oder um den Hals. Der Tempel war jeden Tag voller Neubekehrter, die alle von Chardyn und den drei anderen Priestern gesegnet werden wollten.
Chardyn selbst verbrachte jeden Tag Stunden damit, über Schriftrollen zu brüten und, so gut er konnte, die alten Sprüche zu lernen, die gegen dämonische Besessenheit und Erscheinungen helfen sollten. Auch holte er eine kunstvoll verzierte Schachtel aus einem Versteck unter dem Altar hervor. Daraus nahm er zwei Gegenstände: einen goldenen Ring mit einem geschnittenen Karneolstein in der Mitte sowie ein Halsband mit einem Talisman. Beide Dinge waren angeblich von dem großen Dardalion gesegnet worden, dem ersten Abt der Dreißig. Du bist ein Heuchler, sagte er zu sich, als er sich das Halsband über den Kopf streifte.
Im Palastkrankensaal starben viele der verwundeten Soldaten unter Qualen, obwohl Waylander den beiden Ärzten den blauen Kristall überlassen hatte. Keiner der Männer war so geschickt wie Mendyr Syn. Doch andere überlebten. Der Herzog besuchte sie täglich und ermutigte sie. Die Verkrüppelten erhielten die Zusage auf eine gute Pension und ein Stück Land in der Nähe der Hauptstadt.
Von Waylander war in diesen Tagen wenig zu sehen, und alle Besucher wurden von Emrin empfangen, der sie darüber informierte, dass der Herr nicht zu Hause sei.
Im Winterpalast, auf der anderen Seite der Bucht, begann der Herzog mit den Vorbereitungen für das Festbankett. Die Herrscher von Kydor – Panagyn vom Hause Rishell, Ruall vom Hause Loras und Shastar vom Hause Bakard – kamen in Carlis an und wurden in großzügigen Suiten in dreien der Türme
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