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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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gehorcht mir, weil es weiß, dass ich ihm seine Existenz rauben kann, aber es sucht ständig Wege, mich zu überwinden.«
    »Der Geist des Tigers bleibt am Leben?«
    »Ich vermute es.«
    »Interessant.« Er schwieg und schien in Gedanken verloren. Dann sah er ihr in die Augen. »Damals in der Stadt spürte ich, wie du meinen Geist berührtest. Erinnerst du dich daran?«
    Sie hatte auf diesen Augenblick gewartet und wusste, dass es gefährlich sein würde, ganz zu lügen. »Ja, Herr. Es war höchst merkwürdig. Es war, als erwachte ich aus einem tiefen Schlaf. Plötzlich hörte ich ferne Stimmen, aber ich wusste, es waren keine wirklichen Geräusche.«
    »Und seitdem ist das nie wieder passiert?«
    »Nein, Herr.«
    »Lass es mich wissen, wenn es geschieht.«
    »Ja, Herr.«
    »Du machst dich gut, Ustarte. Wir sind alle stolz auf dich.«
    »Danke Herr. Das freut mich sehr.«
    Eines Tages, als sie in halbmenschlicher Gestalt spazieren ging, sah sie, dass die kleine Gartenpforte nicht verschlossen war. Sie blickte hinaus auf den Bergpfad, der in den Wald führte. Sie streckte ihre geistigen Fühler aus und erspürte ganz in der Nähe die Wächter und las ihre Gedanken. Die Tür war für sie offen gelassen worden. Sie konzentrierte sich und suchte weiter. Noch fünf weitere Wachposten waren hinter ein paar Felsen versteckt, die etwa fünfzig Schritt von der Pforte entfernt waren. Sie waren mit Speeren bewaffnet, und zwei von ihnen hatten ein starkes Netz.
    Ustarte wandte sich ab und ging zurück zum Übungsgelände.
    Als die Monate vergingen, vertrauten sie ihr mehr und mehr.
    Sie half bei der Ausbildung von anderen Wesen ihres Schlages. Prial wurde in Ketten ins Gefängnis gebracht. Er hatte seine Wolfsgestalt und schnappte und biss nach den Wächtern. Ustarte sandte ihr Talent aus und fühlte seine Angst und sein Entsetzen. » Ganz ruhig«, flüsterte sie in seinem Kopf. »Hab Geduld, denn unsere Zeit wird kommen.«
     
    Waylander blieb eine Weile bei der schlafenden Priesterin sitzen. Ihr Atem ging gleichmäßig, doch ihr schweißglänzendes Gesicht zeigte, dass ihre Temperatur stieg. Er ging in die Küche, füllte eine Schale mit kaltem Wasser und ging zu ihr zurück. Er nahm ein Tuch, tauchte es ins Wasser, drückte es aus und legte es ihr auf die Stirn. Sie regte sich und schlug die goldenen Augen auf. »Tut gut«, flüsterte sie. Sanft tupfte er ihr mit dem Tuch die Wangen ab. Sie schlief weder ein.
    Waylander stand auf und reckte sich. Dann blieb er ganz still stehen und lauschte. Er ging rasch zum Fenster, zog die Läden vor und trat dann durch die Tür hinaus in den Sonnenschein und zog die Tür hinter sich zu.
    Eldicar Manushan und der Page Beric kamen durch den Terrassengarten und über den Pfad zu seiner Wohnung. Der Magier trug eine hellblaue Tunika aus schimmernder Seide. Seine Beine waren bloß, und er trug weder Stiefel noch Schuhe. Sein Page trug nichts weiter als ein Lendentuch und hatte Handtücher über die Schulter geworfen.
    »Einen guten Tag, Dakeyras«, sagte der Magier mit breitem Lächeln.
    »Dir auch. Wo wollt ihr hin?«
    »An den Strand. Beric hat Spaß daran gefunden.« Der blonde Page sah zu seinem Onkel auf und grinste.
    »Das Wasser ist sehr kalt«, sagte er.
    »Ihr seid falsch abgebogen«, erklärte Waylander. »Geht zurück bis zu der großen gelben Rose und dann rechts. Die Stufen dort bringen euch zum Strand.«
    Eldicar Manushan betrachtete die rohen Mauern von Waylanders Wohnung. »Wie ich höre, wohnst du hier«, sagte er. »Du bist ein sehr seltsamer Mann. Du baust dir einen stilvollen Palast von großer Schönheit und lebst selbst in etwas, das kaum mehr als eine Höhle in einer Klippe ist. Warum?«
    »Das frage ich mich manchmal auch«, antwortete Waylander.
    »Können wir jetzt zum Meer gehen, Onkel?«, mischte sich der Knabe ein. »Es wird so heiß.«
    »Geh schon mal vor, Beric. Ich komme gleich nach.«
    »Aber bleib nicht so lange«, sagte das Kind und rannte davon.
    »Die Jungen haben so viel Energie«, bemerkte Eldicar Manushan, ging in den Schatten eines blühenden Baumes und setzte sich auf einen Stein.
    »Und Unschuld«, setzte Waylander hinzu.
    »Ja. Es macht einen immer traurig, wenn sie vergeht. Ich bin nicht falsch abgebogen, Dakeyras. Ich wollte mit dir sprechen.«
    »Ich bin hier. Sprich.«
    »Es tut mir Leid, dass deine Leute gestorben sind. Das war nicht meine Schuld.«
    »Nur ein unglückliches Zusammentreffen«, meinte Waylander.
    Eldicar seufzte. »Ich will dich

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