Waylander der Graue
ich dich fragen möchte.«
»In deinem Herzen brennt nur eine einzige Frage, Schwertkämpfer. Warum wurdest nicht du zum pria-shath erwählt?«
»Kannst du es mir sagen?«
»Besser, du findest die Wahrheit selbst heraus«, sagte Qin Chon. »Lebwohl, Kysumu.«
Damit schloss er die Augen und war fort.
Niallad träumte von seinem Vater. Sie waren im Hochland in der Nähe des Schlosses auf Falkenjagd. Der Vogel seines Vaters, der legendäre Eera, hatte drei Hasen geschlagen. Niallads Vogel, noch jung und unerfahren, war auf einen Baum geflogen und wollte auf Nialls Rufen nicht herunterkommen.
»Du musst Geduld haben«, sagte sein Vater, als sie zusammensaßen. »Vogel und Mensch verbindet nie Freundschaft. Es ist eine Partnerschaft. Solange du ihn fütterst, wird er bei dir bleiben. Aber er wird dir weder Loyalität noch Freundschaft anbieten.«
»Ich dachte, er mag mich. Er tanzt, wann immer ich mich nähere.«
»Wir werden sehen.«
Sie hatten ein paar Stunden gewartet, dann war der Falke davongeflogen und kam nie wieder zurück.
Niallad erwachte. Eine Sekunde lang fühlte er sich warm und geborgen in der Liebe seines Vaters. Dann traf ihn mit brutaler Kraft die Wirklichkeit, und er stöhnte laut auf. Er setzte sich, sein Herz war schwer. Emrin schlief in seiner Nähe auf dem Boden. Der Graue Mann saß auf einem Stein bei den Pferden. Er schaute sich nicht um. Seine Gestalt zeichnete sich vor dem hellen Mond ab, und Niallad vermutete, dass er über die mondbeschienene Ebene blickte und nach Anzeichen ihrer Verfolger Ausschau hielt. Er war vor ein paar Stunden zu ihnen gestoßen und hatte sie zu diesem hoch gelegenen, einsamen Platz am Waldrand geführt. Der Graue Mann hatte nur wenig mit Niallad gesprochen.
Der junge Mann erhob sich von seiner Decke und schlenderte zu dem Grauen Mann hinüber. »Darf ich mich zu dir setzen?«, fragte er. Der Graue nickte. Niallad setzte sich neben ihn auf den flachen Stein. »Es tut mir Leid, was ich vorhin gesagt habe. Das war undankbar. Ohne dich wäre ich von einem Mann umgebracht worden, dem ich vertraute. Und Emrin wäre tot.«
»Du hattest nicht Unrecht«, sagte der Graue Mann. »Ich bin ein Killer. Hast du schlecht geträumt?«
»Nein, gut.«
»Ach ja. Das kann die Seele schlimmer schmerzen als Feuer.«
»Ich kann einfach nicht glauben, dass mein Vater tot ist«, sagte Niallad. »Ich dachte, er würde ewig leben oder schwertschwingend im Kampf gegen seine Feinde fallen.«
»Wenn er kommt, ist der Tod für gewöhnlich plötzlich«, sagte der Graue Mann.
Sie schwiegen eine Zeit lang. Niallad merkte, dass die Nähe des Grauen Mannes ihn viel ruhiger machte. »Ich vertraute Gaspir«, sagte er schließlich. »Er brachte es fertig, dass ich meine Angst verlor. Er schien so stark, so loyal. Ich werde nie wieder jemandem vertrauen.«
»Das darfst du nicht einmal denken«, warnte der Graue Mann. »Es gibt Menschen, die vertrauenswürdig sind. Wenn du gegenüber jedermann misstrauisch wirst, wirst du auch keine wahren Freunde haben.«
»Hast du Freunde?«
Der Graue Mann sah ihn an und lächelte. »Nein. Deshalb spreche ich ja auch aus Erfahrung.«
»Was, glaubst du, wird jetzt geschehen?«
»Sie werden sorgfältiger überlegen, wen sie hinter uns herschicken. Harte Männer, Fährtensucher, Waldläufer.«
»Dämonen?«, fragte der Junge, bemüht, seine Angst zu verbergen.
»Ja, auch Dämonen«, gab der Graue zu.
»Dann sind wir geschlagen, nicht wahr? Panagyn und Aric haben Tausende von Männern. Ich habe nichts. Wenn ich zurück zur Hauptstadt gehen sollte, wüsste ich nicht einmal, in welche Richtung.«
»Eine Armee ist bedeutungslos ohne die Männer, die sie führen«, erklärte der Graue Mann. »Wenn ich dich an einem sicheren Ort untergebracht habe, werde ich zurückkehren. Dann sehen wir weiter.«
»Du würdest zurück nach Carlis gehen? Warum?«
Der Graue Mann antwortete nicht, sondern deutete auf die Ebene hinunter. In der Ferne konnte Niallad eine Reihe von Reitern sehen. »Weck Emrin«, befahl der Graue Mann. »Es wird Zeit, dass wir aufbrechen.«
Yu Yu stöhnte, als er erwachte. Er hatte das Gefühl, als wäre eine Herde Ochsen die ganze Nacht auf ihm herumgetrampelt. Mit einem Schmerzensgrunzer richtete er sich mühsam auf. Kysumu saß am Eingang der Höhle, das Schwert auf dem Schoß. »Ich will kein Held sein«, brummte Yu Yu.
»Du hast stundenlang geschlafen«, sagte Kysumu müde. Der kleine Rajnee stand auf und ging ein Stück aus der
Weitere Kostenlose Bücher