Waylander der Graue
erhobener Waffe auf die Knie und sah, wie die Hand des Wesens hochfuhr. Ein Feuerball erschien in der Handfläche. Waylander schoss rasch. Der Bolzen durchdrang die feurige Kugel und grub sich in die Schulter des Wesens. Es sprang vorwärts, dann wirbelte es herum, um mit seinem gewaltigen Schwanz auszuschlagen. Waylander warf sich nach links. Eine scharfe Kralle verfehlte ihn nur um Zentimeter. Wieder schoss er. Der Bolzen durchschlug das Gesicht des Wesens. Es bäumte sich auf, dann stürzte es schwer. Waylander spannte die obere Sehne seiner Armbrust und schob einen Bolzen ein.
Das Wesen lag einen Augenblick ganz still.
Plötzlich empfand Waylander ein ungeheures Mitleid mit ihm und einen starken Drang, mit ihm Freundschaft zu schließen. Er wusste in diesem Moment, dass es nicht böse sein konnte, dass es nichts weiter begehrte als Liebe und Freundschaft. Er konnte nicht fassen, dass er hergekommen war, um es zu töten. Langsam erhob sich das Wesen und drehte sich um. Waylander entspannte sich. Dann fielen seine Augen auf die Toten entlang der Wände. In der Ecke sah er eine ausgezehrte Hülle. Geflochtene goldene Haare klebten an dem vertrockneten Schädel. Er kannte die Art der Flechten. Dieser Leichnam war einst Norda gewesen.
Er sah wieder das Wesen an. Nie zuvor in seinem Leben hatte er eine solche Liebe empfunden.
Irgendwo tief in seinem Gedächtnis hörte er Ustarte von der Bezauberung sprechen, die Deresh Karany benutzte. Das Wesen kam jetzt näher. Sein Schwanz schlug hin und her, die Kralle glitzerte im Licht der Laternen.
»Willst du für mich sterben?«, fragte das Wesen zärtlich.
»Nicht heute Abend«, erwiderte Waylander. Mit einer ungeheuren Willensanstrengung hob er die Waffe und betätigte den Auslöser. Der Bolzen durchschlug den Hals des Wesens. Deresh Karany stieß einen furchtbaren Schrei aus. Der Zauber brach.
Waylander ließ die Armbrust fallen und zog ein Wurfmesser, das er Deresh Karany in die Brust schleuderte. Das Wesen schrie auf und stürzte sich auf ihn. Klauen schlugen aus. Waylander ließ sich auf die Knie fallen und warf sich nach rechts. Der Schwanz schlug nach ihm und drückte ihn gegen einen Eichentisch. Waylander sprang auf und zog sein Kurzschwert. Der Schwanz bäumte sich auf. Waylander stieß sein Schwert tief hinein.
Deresh Karany stieß einen hohen, schrillen Schrei aus und wich zurück. Aus seinem Schwanz strömte Blut auf den Boden.
»Du kannst mich nicht töten, Sterblicher«, sagte er.
»Aber ich kann dir eine Welt aus Schmerz bereiten«, antwortete Waylander. Ein weiteres Messer durchschnitt die Luft und bohrte sich tief in den Arm des Wesens.
Deresh Karany wich erneut zurück und begann zu singen. Waylander hatte diese Sprache noch nie gehört. Sie war kehlig und heiser, doch stark rhythmisch. Die Luft im Zimmer wurde kälter, während der Gesang lauter wurde. Die Wände begannen zu beben. Regale fielen um. Als Waylander begriff, dass der Magier einen Dämon beschwor, stürzte er sich auf ihn. Deresh Karany schoss herum, sein blutbeschmierter Schwanz peitschte auf. Waylander wurde durch den Raum geschleudert. Er schlug hart auf und prallte mit dem Kopf gegen die Wand. Benommen versuchte er aufzustehen. Ein helles Licht begann sich auf der gegenüberliegenden Wand zu bilden. Die Mauersteine begannen zu flackern. Verzweifelt zog Waylander noch ein Messer und warf es mit aller Kraft. Es bohrte sich in Deresh Karanys ausgestreckte Hand. Waylander hörte ihn vor Schmerz stöhnen. Nur für einen Moment hörte der Gesang auf. Dann setzte er wieder ein.
Die Kälte nahm zu. Waylander schauderte. Angst begann in ihm aufzusteigen. Nicht die Angst vor dem Tod oder die Angst vor dem Versagen, sondern die nackte Angst, rein und unverdünnt. Er spürte die ungesehene Anwesenheit von etwas, das so ursprünglich, so kraftvoll war, dass seine eigene Kraft und Tücke nichts dagegen waren. Wie ein Grashalm, der versuchte, einem Wirbelsturm zu widerstehen.
Seine Glieder begannen zu zittern. Deresh Karany kreischte vor Lachen, ein wahnsinniges›bizarres Geräusch. »Du kannst es fühlen, nicht wahr?«, rief er. »Wo sind deine Messer jetzt, kleiner Mann? Hier habe ich eines für dich!« Der Ipsissimus zog das Wurfmesser aus seinem Gesicht und warf es Waylander zu. Es fiel klirrend zu Boden. Er zupfte sich die anderen Messer aus dem Fleisch und warf sie nachlässig zu Boden. »Rasch, heb sie auf«, sagte er. »Es wird mir Spaß machen zuzusehen, wie du sie gegen den
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