Waylander der Graue
befestigte. Er schlang seinem Herrn die goldene Schärpe um die Taille, band sie fest und trat dann mit einer Verbeugung zurück.
»Ich nehme den Tee auf dem Balkon«, sagte Matze Chai. Unverzüglich ging der erste Diener zur Fenstertür und zog die Vorhänge beiseite. Der zweite nahm einen breitkrempigen Hut aus kunstvoll geflochtenem Stroh.
Matze Chai trat auf den Balkon hinaus, setzte sich auf eine geschwungene Holzbank und lehnte sich gegen ein großes besticktes Kissen. Die Luft war frisch, und Matze vermeinte, Salz darin zu schmecken. Das Licht jedoch war grell und unangenehm, und er winkte dem Mann, der den Hut hielt. Er lief herbei und setzte ihn Matze so auf, dass sein Gesicht teilweise im Schatten lag, ehe er ihn vorsichtig unter Matzes Kinn festband.
Die Steine des Balkons waren kalt unter den Füßen des Kaufmanns. Er blickte hinunter und wackelte mit den Zehen. Nur Augenblicke später kniete einer der Männer nieder und streifte ihm pelzgefütterte Pantoffeln über.
Matze Chai nippte an seinem Tee und beschloss, dass an diesem schönen Tag alles gut war mit der Welt. Er winkte mit der Hand, um seine. Diener zu entlassen, und saß friedlich in der Morgensonne. Der Wind war frisch und kühl, der Himmel von einem klaren, wolkenlosen Blau.
Er hörte hinter sich eine Bewegung, und ein Anflug von Verärgerung störte seinen Frieden. Liu, der junge Hauptmann seiner Leibwache, kam in Sicht und verbeugte sich tief. Er sagte nichts, sondern wartete erst die Erlaubnis seines Herrn ab.
»Nun?«, fragte Matze Chai.
»Der Herr des Hauses bittet um eine Audienz, Gebieter. Sein Diener Omri schlägt vor, dass er dich gleich aufsucht.«
Matze Chai lehnte sich in sein Kissen zurück. Auch wenn er ein rundäugiger Gajin war, Waylander wusste sich vollkommen zu benehmen.
»Übermittle dem Diener, dass ich mich geehrt fühle, meinen alten Freund zu empfangen«, sagte er.
Liu verbeugte sich erneut, zog sich jedoch nicht sogleich zurück. Wieder fühlte Matze Chai einen Anflug von Verärgerung, doch er zeigte es nicht. Er sah den jungen Soldaten fragend an.
»Noch eine Sache, Herr, von der du wissen solltest: Gestern Abend wurde ein Anschlag auf das Leben deines alten … Freundes verübt. Beim Ball. Zwei Männer mit Messern griffen ihn an.«
Matze Chai nickte knapp, dann entließ er den Soldaten mit einer Handbewegung.
Gab es je eine Zeit, überlegte er, in der nicht irgendjemand versuchte, Waylander zu töten? Man sollte meinen, sie wüssten es inzwischen besser. Seine Schale war leer, und er sah sich nach einem Diener um, der sie auffüllen konnte, dann fiel ihm ein, dass er sie fortgeschickt hatte. Und seine goldene Glocke war weit weg neben seinem Bett. Er seufzte. Dann sah er sich verstohlen um, ob ihn auch niemand beobachtete, und schenkte sich selbst Tee ein. Matze Chai lächelte. Sich selbst zu bedienen war ganz befreiend. Aber nicht zivilisiert, tadelte er sich.
Trotzdem war seine gute Laune wiederhergestellt, und er wartete geduldig auf Waylander.
Ein anderer Diener führte ihn herbei, nahm die Teekanne und die leere Schale und ging ohne ein Wort. Matze Chai erhob sich und verbeugte sich tief vor seinem Kunden, der die Verbeugung erwiderte, ehe er sich setzte.
»Es ist schön, dich zu sehen, mein Freund«, sagte Waylander. »Wie ich hörte, verlief deine Reise nicht ganz ereignislos.«
»Sie war, bedauerlicherweise, nicht ganz so langweilig, wie ich es schätze«, gab Matze Chai zu.
Waylander lachte. »Du änderst dich auch nie, Matze Chai«, sagte er, »und ich kann dir gar nicht sagen, welche Freude das ist.« Sein Lächeln verblasste. »Es tut mir Leid, dass ich dich bitten musste, diese Reise zu unternehmen, aber ich musste dich sehen.«
»Du verlässt Kydor«, sagte Matze Chai.
»Allerdings.«
»Wohin jetzt? Nach Ventria?«
Waylander schüttelte den Kopf. »Über das westliche Meer.«
»Das Meer? Aber warum? Dort gibt es nichts außer dem Ende der Welt. Das ist der Ort, an dem die Sterne ins Meer strömen. Es gibt kein Land, keine Zivilisation. Und selbst wenn es Land gibt, wird es öde und leer sein. Dein Reichtum wäre dort bedeutungslos.«
»Er ist hier bedeutungslos, Matze Chai.«
Der ältliche Kaufmann seufzte. »Es hat dich nie zufrieden gemacht, reich zu sein, Dakeyras. Das ist, auf eine merkwürdige Weise, die ich noch nicht verstanden habe, der Grund dafür, dass du reich bist. Dir bedeutet Reichtum nichts. Was ist es dann, was du dir wünschst?«
»Ich wünschte, ich könnte
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