Waylander der Graue
hören.«
»Ein schockierender Zwischenfall«, sagte Omri. »Warum haben sie es getan? Was hofften sie zu gewinnen?«
»Sie hatten gar nichts zu gewinnen. Sie wurden von Vanis geschickt.«
»Das ist schändlich«, sagte Omri. »Wir müssen den Wachoffizier informieren. Du solltest Anzeige gegen ihn erstatten.«
»Das wird nicht nötig sein«, erklärte Waylander. »Ich zweifle nicht daran, dass Graf Aric einen Plan hat, wie die Situation zu lösen ist.«
»Ali, ich verstehe. Und dieser Plan beinhaltet ohne Zweifel Geld.«
»Ohne Zweifel.«
Sie gingen schweigend weiter, bis sie einen breiten Bogengang im oberen Stock erreichten.
Als sie vor der Tür aus geschnitzter Eiche standen, trat Omri zurück. »Ich muss sagen, Herr«, sagte er leise, »dass ich mich in Gegenwart dieses Magiers nicht wohl fühle. Der Mann hat irgendetwas an sich, das mich beunruhigt.«
»Du hast eine gute Menschenkenntnis, Omri. Ich werde daran denken.«
Waylander stieß die Türen auf und betrat das Eichenzimmer.
Der mit Eiche vertäfelte Raum hatte die Form eines Achtecks. Seltene Waffen aus vielen Ländern hingen an den Wänden: eine Streitaxt und mehrere Jagdbögen aus Vagria, Speere und gekrümmte Säbel aus Ventria. Angostinische Breitschwerter, Dolche und Schilde wetteiferten mit Degen, Lanzen, Piken und verzierten Armbrüsten um Aufmerksamkeit. Vier Rüstständer waren im Raum verteilt, an denen kostbare Helme, Brustharnische und Schilde hingen. Die Einrichtung bestand aus zwölf tiefen Sesseln und drei mit Kissen bedeckten Sofas, die auf einer Sammlung kiatzischer Teppiche aus handgefärbter Seide standen. Durch die hohen, nach Osten gehenden Bogenfenster strömte die Sonne herein.
Graf Aric saß auf einem Sofa unter dem Fenster, sein gestiefelter Fuß ruhte auf einem niedrigen Tischchen. Ihm gegenüber saß der Magier Eldicar Manushan, sein blonder Page stand neben ihm. Keiner der beiden Männer erhob sich, als Waylander eintrat, doch Aric winkte und grinste breit. »Guten Morgen, mein Freund!«, rief er. »Ich bin froh, dass du Zeit für uns gefunden hast.«
»Du bist früh auf, Graf Aric«, erwiderte Waylander. »Ich war immer in dem Glauben, es gälte als unzivilisiert, wenn Edelleute vor Mittag aufstehen, es sei denn, es stünde eine Jagdpartie bevor.«
»In der Tat«, pflichtete ihm Aric bei, »doch wir haben dringende Angelegenheiten zu besprechen.«
Waylander setzte sich und streckte die Beine von sich. Die Tür ging auf, und Omri trat ein mit einem Tablett, auf dem eine silberne Teekanne und drei Tassen standen. Die Männer schwiegen, während er einschenkte und dann ging. Waylander trank einen Schluck. Es war Kamillentee, gesüßt mit Minze und ein wenig Honig. Er schloss die Augen und genoss den Geschmack. Dann warf er einen Blick auf Aric. Der schlanke Edelmann tat sein Bestes, um unbefangen zu wirken, doch man spürte, dass er innerlich angespannt war. Waylander blickte zu dem Magier hinüber, doch dieser zeigte keinerlei Anzeichen von Unbehagen. Eldicar Manushan trank gelassen seinen Tee, offensichtlich in Gedanken versunken. Waylanders Blick traf sich mit dem des kleinen blonden Jungen, der nervös lächelte.
Das Schweigen wuchs, und Waylander machte keine Anstalten, es zu brechen.
»Die vergangene Nacht war höchst unglückselig«, sagte Aric schließlich. »Die beiden jungen Männer waren sehr beliebt, und keiner von ihnen hatte je zuvor Schwierigkeiten.«
Waylander wartete.
»Parellis – der Blonde – ist … war … ein Vetter zweiten Grades des Herzogs. Soweit ich es verstanden habe, hatte der Herzog sich sogar bereit erklärt, bei Parellis’ Hochzeit an seiner Seite zu stehen. Das war einer der Gründe, warum der Herzog sich entschlossen hatte, das Wintergericht nach Carlis zu bringen. Du verstehst die Komplikationen, die sich allmählich ergeben.«
»Nein«, erwiderte Waylander.
Aric wirkte einen Augenblick lang verwirrt. Dann zwang er sich zu einem Lächeln. »Du hast einen Verwandten des Herrschers von Kydor getötet.«
»Ich habe zwei Attentäter getötet. Verstößt das in Carlis gegen das Gesetz?«
»Nein, natürlich nicht, mein Freund. Was den ersten Toten angeht, dafür gibt es Hunderte von Zeugen. Keinerlei Probleme. Aber bei dem zweiten … also«, er spreizte die Hände, »das hat niemand gesehen. Soweit ich weiß, gab es nur eine Waffe: ein Zeremonienschwert, das Parellis gehörte. Das würde bedeuten, du hättest ihm die Waffe abgenommen und ihn damit getötet. Wenn dem so war,
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