Waylander der Graue
diese Frage beantworten«, sagte Waylander. »Ich kann nur sagen, dass dieses Leben nichts für mich ist. Es ist nicht nach meinem Geschmack.«
»Was soll ich für dich tun?«
»Du verwaltest bereits ein Sechstel meiner Unternehmungen und zwei Fünftel meines Vermögens. Ich werde dir Briefe an alle Kaufleute mitgeben, mit denen ich geschäftliche Beziehungen habe. In diesen Briefen steht, dass von dem Augenblick an, in dem sie diese Anweisungen lesen, du an meiner Stelle sprechen wirst. Ich werde ihnen ebenfalls sagen, wenn sie innerhalb von fünf Jahren nichts von mir hören, dass all meine Unternehmungen und mein Vermögen an dich fallen werden.«
Matze Chai war bestürzt bei diesem Gedanken. Er versuchte, mit Waylanders Angebot zurechtzukommen. Obwohl er bereits wohlhabend war, würde Matze Chai mit einem Schlag der reichste Mann Kiatzes werden. Wofür würde es sich dann noch lohnen zu kämpfen?
»Das kann ich nicht annehmen«, erklärte er. »Du musst es dir überlegen.«
»Du kannst es immer noch verschenken«, sagte Waylander. »Aber was du auch wählst, ich werde diese Welt verlassen und nicht mehr zurückkehren.«
»Bist du wirklich so unglücklich, alter Freund?«, fragte Matze Chai.
»Wirst du tun, um was ich dich bitte?«
Matze Chai seufzte tief. »Das werde ich«, sagte er.
Waylander stand auf, dann lächelte er. »Ich werde deine Diener bitten, deine zweite Kanne Tee zu bereiten«, sagte er. »Sie hätten ihn wirklich inzwischen bringen sollen.«
»Ich bin umgeben von Schwachköpfen«, gab Matze Chai zu, »aber wenn ich sie nicht beschäftigen würde, würden sie vor lauter Dummheit auf den Straßen verhungern.«
Nachdem Waylander gegangen war, blieb Matze Chai in Gedanken versunken sitzen. Er staunte schon längst nicht mehr über seine Zuneigung zu seinem Gajin -Klienten. Als Waylander vor vielen Jahren zum ersten Mal zu ihm kam, war Matze Chai nur neugierig gewesen. Diese Neugier hatte dazu geführt, dass er den alten Seher befragte. Matze hatte auf dem seidenen Teppich im innersten Heiligtum des Tempels gesessen und zugesehen, wie der alte Priester die Knöchelchen warf.
»Wird dieser Mann eine Gefahr für mich darstellen?«
»Nicht, wenn du ihn nicht betrügst.«
»Ist er böse?«
»Alle Menschen tragen das Böse in sich, Matze Chai. Die Frage ist nicht präzise.«
»Was kannst du mir über ihn erzählen?«
»Er wird niemals zufrieden sein, denn sein tiefster Herzenswunsch ist unerreichbar. Doch er wird reich werden und auch dich reich machen. Reicht dir das, Kaufmann?«
»Was ist sein unerreichbarer Wunsch?«
»Tief in seinem Herzen, weit unter der Ebene der bewussten Gedanken, möchte er verzweifelt seine Familie vor Angst und Tod retten. Dieser unbewusste Drang treibt ihn voran, zwingt ihn, Gefahren zu suchen, sich gegen die Kraft gewalttätiger Menschen zu stellen.«
»Warum ist der Wunsch unerreichbar?«
»Weil seine Familie bereits tot ist, erschlagen in einer sinnlosen Orgie von Lust und Verderbtheit.«
»Aber gewiss«, meinte Matze Chai, »weiß er doch, dass sie tot sind.«
»Selbstverständlich. Wie ich schon sagte, es ist ein unbewusster Wunsch. Ein Teil seiner Seele hat nie akzeptiert, dass er zu spät kam, um sie zu retten.«
»Aber er wird mich reich machen?«
»Oh ja, Matze Chai. Er wird dich reicher machen, als du es dir in deinen kühnsten Träumen vorstellen kannst. Aber pass auf, dass du die Reichtümer auch erkennst, wenn du sie hast.«
»Das werde ich ganz sicher.«
Der leicht gebeugte Diener Omri wartete auf dem Flur vor Matze Chais Gemächern. Als Waylander herauskam, verbeugte sich Omri knapp. »Graf Aric wartet auf dich, Herr, zusammen mit dem Zauberer Eldicar Manushan«, sagte er. »Ich habe ihnen im Eichenzimmer Erfrischungen servieren lassen.«
»Ich habe ihn erwartet«, sagte Waylander mit kalter Miene.
»Ich muss sagen, er sieht gut aus. Ich glaube, er färbt sich die Haare.«
Zusammen gingen die beiden Männer durch den Flur und zwei Treppen hinauf. »Die Toten wurden entfernt, Herr. Emrin hat sie auf ein Fuhrwerk laden und nach Carlis bringen lassen. Er wird einen Bericht an den Wachoffizier geben, doch ich nehme an, dass es eine offizielle Untersuchung geben wird. Ich stelle mir vor, dass der Zwischenfall Stadtgespräch in Carlis ist. Einer der beiden jungen Männer sollte nächste Woche heiraten. Du hast sogar eine Einladung zur Feier bekommen.«
»Ich weiß. Er und ich sprachen letzte Nacht davon, aber er wollte nicht
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