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Waylander der Graue

Waylander der Graue

Titel: Waylander der Graue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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nicht. Große Ereignisse stehen uns bevor, Aric. Die Dämmerung eines neuen Zeitalters. Diese Angelegenheit ist abgeschlossen. Wie der Arzt sagte, nahm sich Vanis in einem Anfall unendlichen Kummers das Leben.«
    »Aber wie hat er das gemacht? Die Wachen, die Hunde …«
    »Was wissen wir von diesem Mann?«
    »Nur sehr wenig. Er kam vor ein paar Jahren aus dem Süden. Er hat Geschäftsinteressen in allen großen Handelsnationen: Gothir, Kiatze, Drenai, Ventria. Er besitzt eine gewaltige Flotte von Handelsschiffen.«
    »Und niemand weiß, woher er kommt?«
    »Nein, nicht mit Sicherheit. Lalitia genießt seine Gunst, aber als ich mit ihr sprach, erklärte sie, dass er nie über seine Vergangenheit spricht. Sie glaubt, dass er Soldat war, wenn sie auch nicht weiß, bei welcher Armee, und er spricht kenntnisreich über all die Länder, mit denen er Geschäfte macht.«
    »Eine Frau, Kinder?«, fragte Eldicar.
    »Nein. Lalitia sagt, er sprach einmal von einer Frau, die starb. Aber er nimmt jetzt Lalitia schon seit über einem Jahr in sein Bett, und es ist ihr noch immer nicht gelungen, ihm nützliche Informationen zu entlocken.«
    »Dann, fürchte ich, wird es ein Geheimnis bleiben«, sagte der Magier. »Denn in ein paar Tagen wird der Graue Mann von dieser Welt gegangen sein, wie auch viele andere.«
     
    Kurz vor Tagesanbruch ruderte ein blonder Mann in einem roten Hemd, das mit der zusammengerollten Schlange – dem Wappen des Kaufmanns Vanis – bestickt war, ein kleines Boot ans Ufer unterhalb von Waylanders Palast. Er sprang in das flache Wasser, zog das Boot auf den Strand und ging dann die Treppen hinauf durch die terrassenförmig angelegten Gärten. Als er sich der Wohnung des Grauen Mannes näherte, zog er eine schwarze Kappe vom Kopf. Das blonde Haar zog er mit ab. Waylander stieß die Tür zu seiner Wohnung auf und legte das Käppchen weder in eine Geheimschublade an der Rückseite eines alten hölzernen Schrankes. Dann streifte er seine Kleider ab. Das rote Hemd rollte er zusammen und warf es in den Kamin auf die aufgeschichteten Scheite. Er nahm eine kleine Zunderschachtel vom Kaminsims, schlug Funken und entzündete das Feuer.
    Waylanders Stimmung war düster, und auf ihm lastete das Gefühl der Schuld, wenn er auch nicht wusste, weshalb. Vanis hatte es verdient zu sterben. Er war ein Lügner, Betrüger und praktisch ein Mörder, der den Tod zweier unschuldiger junger Männer verursacht hatte. In jeder zivilisierten Gesellschaft wäre er vor Gericht gestellt und hingerichtet worden, sagte sich Waylander.
    Warum also empfand er Schuld? Die Frage nagte an ihm.
    Vielleicht, weil der Mord so leicht gewesen war? Er ging in die kleine Küche, schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank in tiefen Zügen. Ja, es war einfach gewesen. Immer ein Geizhals, hatte Vanis billige Kräfte angeheuert und einen seiner Diener die Verhandlungen führen lassen. Niemand befehligte die Wachleute, da sie einzeln in den Schänken und den Docks angeworben waren und den Auftrag hatten, das Gelände zu bewachen. Es war schon dunkel gewesen, als Waylander, gekleidet wie ein Wachmann, die Mauer erklettert und sich zu der großen Eiche geschlichen hatte, die knapp sieben Meter vom Haus entfernt stand. Sobald er dort war, hatte er sich vor aller Augen darauf niedergelassen, mit der Armbrust in der Hand, und die Mauer beobachtet. Nacheinander kamen die Männer unter ihm vorbei, gelegentlich blickten sie hoch und winkten ihm zu. Der Hundeführer war ebenfalls einzeln angestellt worden, und damit seine Hunde nicht die Wachleute angriffen, war er mit ihnen über das Gelände gestreift und hatte sie den Geruch jedes Mannes aufnehmen lassen, der ein rotes Hemd trug. Als der Mann dann auf einer seiner Runden war, war Waylander vom Baum geklettert und hatte mit ihm geplaudert und dabei die Hunde gestreichelt, die an seinen Stiefeln schnüffelten und ihn danach nicht mehr beachteten.
    Anschließend war es die Einfachheit selbst gewesen, bis tief in die Nacht auf dem Baum zu warten, dann die Mauer zu erklettern und sich geduldig hinter den roten Samtvorhängen um das Bett des Kaufmanns zu verstecken.
    Er hatte Vanis nicht leiden lassen. Er hatte ihn rasch getötet. Ein schneller Schnitt, und die Kehle des Kaufmanns war durchtrennt. Vanis hatte keine Zeit mehr, einen Ton von sich zu geben, sondern war einfach rücklings aufs Bett gefallen, das sich von seinem Blut rot färbte. Als letzten Schnörkel hatte er dem Toten, den zusammengeknüllten Vertrag

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