Waylander der Graue
stimmt, dass er sich mit der Menschheit verbündete. Groß waren die Helden, die gegen Anharat kämpften. Mächtige Männer, Männer mit Prinzipien und Mut. Dies waren die Männer von Kuan Hador.«
»Aber das verstehe ich nicht«, meinte Kysumu. »Wenn diese Männer die Helden waren, warum fürchten wir dann ihre Wiederkehr?«
»Menschen lernen niemals aus der Vergangenheit«, antwortete sie. »Das ist ihr Fluch. Mein Volk und ich versuchen schon lange, Hinweise auf den Großen Krieg zu finden. Wir haben bis jetzt herausgefunden, dass es sich nicht um einen, sondern um zwei Kriege handelte. Der erste – nennen wir ihn den Dämonenkrieg – brachte großes Entsetzen und Verheerung. Erst als Emsharas den Menschen half, begann die Flut sich zu wenden. Aber diese Hilfe trug die Saat von Kuan Hadors Untergang in sich. Um den Feind zu besiegen, lehrte der rebellische Dämonenherrscher Emsharas die Herren von Kuan Hador die finstersten Geheimnisse der Verschmelzungsmagie. Krieger wurden verstärkt, verschmolzen mit der Kraft von Tieren: Panther, Löwen, Wölfe und Bären. Und sie gewannen. Anharats Dämonenlegionen wurden von der Welt verbannt. Kuan Hador war der Retter der Menschheit.«
»Wie wurde es dann böse?«, fragte Kysumu.
»Indem es einen kleinen Schritt nach dem anderen in Richtung Dunkelheit ging«, antwortete sie. »Eine kurze Zeit lang erlebte die Welt Frieden und Ruhe unter der wohlwollenden Herrschaft der Stadt. Die Menschen von Kuan Hador waren stolz auf das, was sie erreicht hatten, doch sie hatten schwer dafür bezahlt. Sie baten andere Völker, ihnen dabei zu helfen, diese Lasten zu tragen, und riesige Berge von Gold und Silber wurden in die Stadt gebracht. Im folgenden Jahr verlangten sie mehr. Einige Völker weigerten sich. Die stolzen Herren von Kuan Hador entschieden, dass dies ein Affront gegenüber den Rettern der Welt sei, und schickten ihre Armeen aus, um diese Völker zu plündern. Kuan Hador war von guter Herrschaft zur Tyrannei gegangen. Sie hatten die Menschheit gerettet. Also - glaubten sie – hatten sie damit auch das Recht erlangt zu herrschen. Völker, die sich gegen sie erhoben, wurden Verräter genannt und erbarmungslos von den Kriaznor, den Bastardlegionen, zermalmt. Dies war der Beginn des zweiten Krieges, der heute der Große Krieg heißt. Zuerst war es Mensch gegen Mensch. Kuan Hador war mächtig, doch es war nur ein Stadtstaat, und seine Ressourcen waren begrenzt. Zu jener Zeit war Emsharas nicht mehr in dieser Welt, doch seine Nachkommen unterstützten die Rebellen. Langsam begannen sie die Kriaz- nor-Legionen zurückzudrängen. In ihrer Verzweiflung verbündeten sich die Herrscher von Kuan Hador mit Anharat und öffneten Tore, die seinen Dämonenkriegern die Rückkehr in die Welt erlaubten.« Sie schwieg und blickte über die Bucht hinaus.
»Trotzdem wurden sie besiegt«, sagte Kysumu.
»Ja, das wurden sie«, erwiderte sie leise, »die Rebellen schufen ihre eigenen Legionen – die Riaj-nor, Männer mit edlem Herz und großem Mut, die Waffen der Macht schwangen. Die Rajnee sind die letzten Funken dieses guten Ordens, und - wie es scheint, Kysumu – von ihnen allen bist nur du hierher geleitet worden. Wo einst Legionen waren, befinden sich heute ein einziger Krieger und ein verwundeter Arbeiter.« Sie seufzte, dann fuhr sie fort. »Der Große Krieg endete hier, die Überlebenden von Kuan Hador zogen sich durch ein Tor in eine andere Welt zurück. Die Stadt wurde durch Feuer zerstört, und ein Zauberer – oder vielleicht auch mehrere – legte mächtige Zauber auf das Tor und versiegelte es gegen die Rückkehr des Feindes. Diese Zauber haben die Jahrhunderte überstanden. Jetzt werden sie allmählich schwächer. Das Tor wird sich bald vollends öffnen und Heerscharen von Kriaznor ins Land lassen. Im Augenblick flackert es nur, sodass immer nur wenige hindurch können. Die Zauberer, die es einst schützten, sind längst tot, genau wie die ursprünglichen Riaj-nor. Jetzt gibt es keine Macht mehr auf dieser Welt, die sie besiegen könnte, wenn sie zuhauf kommen, und deshalb hatte ich gehofft, den ursprünglichen Zauber wiederholen zu können. Doch es lassen sich keine Hinweise finden. Nur Rätsel, Verse und verstümmelte Legenden, aber nichts Hilfreiches. Meine letzte Hoffnung ruht nun auf Yu Yu und dem Geist von Qin Chong.« Sie wandte sich an Kysumu. »Es scheint, dass die Rajnee- Schwerter ihre Magie behalten. Warum sind dann nicht mehr deiner Kameraden hier, um zu
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