Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
Damien Dusserre ungläubig aus. »Ich sage Ihnen, dass unsere angeblich so gute Freundin und Verbündete über zweiundvierzigtausend unserer Bürger ermordet hat, darunter Präsident Boutins Cousin zweiten Grades, und Sie sagen mir, ich soll mich beruhigen?«
»Richtig«, erwiderte Vezien tonlos. »Und hören Sie auf, hier auf und ab zu tigern wie so ein wildes Tier. Setzen Sie sich.«
Dusserre starrte ihn einen Augenblick lang an. Dann nahm er in einem Sessel Platz. Genauer gesagt, er hockte sich auf die Kante und schien dort zu kauern, bereit, binnen eines Sekundenbruchteils wieder auf die Beine zu schnellen.
»Jetzt atmen Sie tief durch«, wies Vezien ihn an, »zählen bis fünfzig und dann sagen Sie mir, ob Sie wirklich Admiral Byng darüber informieren wollen, dass die Manpower-Agentin, die wir benutzt haben, um die Solarier in eine Situation zu manövrieren, in der sie die Manticoraner angreifen – was er, wie ich hinzufügen möchte, gerade getan hat – … dass diese Frau für die Sprengung von Giselle verantwortlich ist und ihn erst dadurch provoziert hat, die manticoranischen Zerstörer zu vernichten?«
Dusserre sah Vezien finster an und öffnete den Mund, dann schloss er ihn wieder, und der Premierminister nickte.
»Sehen Sie?«
»Vielleicht wäre es nicht die beste Idee, Byng über Anisimovna zu informieren«, sagte Dusserre störrisch, »aber früher oder später müssen wir ihm und den Reportern irgendetwas sagen, Max.«
»Natürlich müssen wir das … früher oder später. Doch bis dahin sollten Sie ein paar Dinge abwägen. Erstens, sind Sie weitergekommen bei Ihrem Versuch herauszufinden, wie Anisimovna – oder sonst jemand – das geschafft haben könnte?«
»Nein«, knurrte Dusserre. »Wir suchen noch immer, aber wie sie es auch geschafft hat, welche Methode sie benutzt hat, es ist tief vergraben. Wirklich tief. Um ehrlich zu sein, in Anbetracht dessen, dass wir noch immer nicht mehr wissen als das, was wir während der ersten zehn Tage herausgefunden haben, glaube ich nicht, dass wir je in der Lage sein werden, etwas zu beweisen.«
»Also gut, das bringt mich auf meinen zweiten Punkt. Fällt Ihnen außer Anisimovna noch jemand ein, der es getan haben könnte?«
»Nein«, sagte Dusserre wieder, aber diesmal klang er nicht ganz so sicher, und Vezien lachte rau auf.
»Nein?« Der Premierminister schüttelte den Kopf. »Waren Sie es nicht, der erst vor ein paar Monaten diesen wunderbar detaillierten Vortrag über unsere einheimischen ›Befreiungsfronten‹ und andere aufrührerische Irre gehalten hat?«
»Schon, aber –«
»Na, na!« Vezien drohte ihm mit dem Finger. »Ich stelle nur fest, dass es außer Ms. Anisimovna noch andere mögliche Verdächtige gibt. Und um ehrlich zu sein, verschafft ihr die Tatsache, dass Sie vor und während des Besuchs der Mantys sämtliche Kommunikationskanäle Ms. Anisimovnas angezapft hatten, ein wunderbares Alibi.«
»Vielleicht, aber trotzdem bin ich mir sicher – und mit mir eine solide Mehrheit meiner besten Auswertungsexperten –, dass sie und Manpower die Station gesprengt haben, um genau die Reaktion zu erzwingen, die sie aus diesem Idioten Byng herausgekitzelt hat.«
»Um ganz offen zu sein, ich neige der gleichen Schlussfolgerung zu«, räumte Vezien mit undeutbarer Miene ein.
»Was?« Dusserre sah ihn blinzelnd an, dann riss er sich wütend zusammen. »Wenn Sie das glauben, weshalb zum Teufel haben Sie mich dann für die letzten drei Wochen diesen Zirkus durchmachen lassen?«
»Weil es keine Rolle spielt«, erwiderte Vezien gewichtig. Als Dusserre ungläubig den Blick hob, zuckte der Premierminister die Achseln.
»Hören Sie, Damien«, sagte er. »Wir können die Toten nicht zurückholen, und wir können die Vernichtung dieser drei manticoranischen Kriegsschiffe nicht ungeschehen machen. Das sind zwei hässliche Dinge, an denen wir nichts ändern können, ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen, und mit denen wir uns deshalb abfinden müssen. Bei allem, was wir ab jetzt tun, müssen wir diese beiden Tatsachen also als gegeben voraussetzen.
Nun, wir können es auf eine große medienwirksame Untersuchung anlegen, wenn wir wollen. Am Ende wird es jedoch auf eines dieser beiden Ergebnisse hinauslaufen: Entweder wurde Giselle von ›Unbekannten‹ vernichtet, die wir noch immer nicht identifizieren konnten, oder auf Befehl von Anisimovna. Wenn wir irgendeine hiesige Gruppierung als Schuldige benennen, dann geben wir gleichzeitig zu,
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