Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
Reparaturflotte nach New Tuscany zu verlegen. Auf lange Sicht wäre es wahrscheinlich billiger und schneller, eine Flotte Schlepper zu schicken und sie zu einer solarischen Werft bringen zu lassen.
Und wenn sie schon nicht dauerhaft ausgeschaltet sind, stehen sie der anderen Seite so schnell jedenfalls nicht wieder zur Verfügung, dachte sie. Wenn die Lage so weit eskaliert, wie es denkbar wäre, ist das wohl auch nicht zu verachten.
»Ich wünschte, wir könnten besser einschätzen, wie die Sollys auf unsere Maßnahmen reagieren«, sagte Van Dort, als hätte er Michelles Gedanken gelesen. Andererseits brauchte man kein Genie zu sein, um sich zusammenzureimen, was sie dachte.
»Das wünschte ich auch«, antwortete sie. »Aber noch lieber wüsste ich, wie irgendein transstellarer Konzern – selbst einer von der Größe Manpowers – an den nötigen Einfluss kommt, um die SLN auf diesem Niveau zu manipulieren. Schlachtflottenadmirale, die zufälligerweise alle Manticoraner hassen, als Befehlshaber von Grenzflottenkampfgruppen? Ganze Kampfverbände aus Schlachtflottensuperdreadnoughts auf Abruf, es sei denn, Anisimovna hat den Tuscaniern das Hirn völlig vernebelt? Ich würde sagen, das überschreitet sehr, was die meisten Konzerne als Business as usual definieren würden.«
Und das, fügte sie im Stillen hinzu, ist der Grund, weshalb ich Sigbee komplette Kopien der Aussagen von Vezien, Dusserre, Cardot und Pelisard übergeben habe, damit sie sie an den solarischen Flottennachrichtendienst weiterleitet. Ich bezweifle zwar, dass man deswegen weniger sauer auf uns sein wird, aber ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn die Liga gleichzeitig auch auf Manpower so stinkig ist, dass sie endlich etwas gegen den Laden unternimmt!
»Glauben Sie, Vezien hat recht, was Byng angeht?«, fragte Terekhov.
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Michelle langsam. »Wenn ja, dann macht es mich wohl noch nervöser. Bernardus, Sie kennen die Leute hier draußen besser als Aivars und ich. Was glauben Sie, wer ist näher an der Wahrheit, Vezien oder Dusserre?«
»Dusserre«, antwortete Van Dort prompt. »Ich mag ihn nicht, um das einmal festzuhalten, aber für jemanden, der so in die Ecke gedrängt wurde, ist er wahrscheinlich der Intelligenteste von dem ganzen Haufen. Vezien glaubt vielleicht, dass Byng wusste, was hier passiert, aber das bezweifle ich. Unser Dossier über ihn weist ja schon darauf hin, dass der Herr Admiral nicht gerade der Klügste gewesen ist, und seine Vorurteile gegen Manticore springen jedem förmlich ins Auge. Manpower dürften sie genauso aufgefallen sein. Und angenommen, Anisimovna war tatsächlich für die Vernichtung von Giselle verantwortlich, dann erscheint es mir ganz so, als hätte man von Anfang an vorgehabt, ihn in eine Position zu bringen, in der seine manticorefeindliche Haltung zu einer reflexhaften Reaktion führt. Ich weiß nicht, ob man erwartete, dass er so weit geht, einen offensichtlichen Kriegsgrund zu liefern, aber Manpower hat sich vermutlich durchaus gesagt, man könnte darauf zählen, dass er irgendwann im Laufe der Zeit wenigstens einmal auf ein manticoranisches Schiff feuert.«
»Es fällt mir schwer zu glauben, irgendjemand könnte solch ein guter Marionettenspieler sein«, wandte Terekhov ein. Als Van Dort ihn ansah, zuckte der Commodore die Achseln.
»Ihre Analyse klingt grundsätzlich gut, Bernardus, aber ich glaube kaum, dass jemand, der so kompetent ist, dass er all das zusammenbekommt, sich darauf verlassen würde, unsere Schiffe irgendwie mitten im New-Tuscany-System in Byngs Nähe manövrieren zu können, und dann eine Raumstation zu sprengen, damit der das Feuer eröffnet. Das verstößt derartig gegen das eherne Prinzip, es einfach und verständlich zu halten, dass es schon nicht mehr komisch ist!«
»Ich glaube nicht, dass sie es so angegangen sind«, erwiderte Van Dort. »Ich glaube, die ›Marionettenspieler‹ haben sich darauf verlassen, dass Anisimovna eine extrem talentierte und – das bedarf wohl keiner Erwähnung – außerordentlich skrupellose Agentin ist. Ich glaube, man hat ihr gesagt, was geschehen sollte, ihr das beste Werkzeug in die Hand gedrückt und sie dann losgeschickt, damit sie die Situation manipuliert, wie immer es ihr am geeignetsten erscheint. Nach allem, was Vezien und sein Kabinett so erzählten, hatte Anisimovna sie anscheinend alle in der Tasche. Und es muss wenigstens für Anisimovna offensichtlich gewesen sein, dass wir selbst
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