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Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten

Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten

Titel: Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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genauso sehr Gefangener der Beschränkungen seines Amtes wie der dümmste und korrupteste Demagoge. Manchmal empfand Carmichael, der selbst Bürokrat war (oder Berufsbeamter, falls das besser klang), einen gewissen Neid auf seine solarischen Amtskollegen. Sie mussten sich wenigstens nicht sorgen, dass ein unqualifizierter Hanswurst (wie zum Beispiel ein Baron High Ridge und seine Spießgesellen) genügend Wähler so sehr zu täuschen verstand, dass sie seine Fieberfantasien von Kompetenz teilten und ihm die Macht verliehen, Entscheidungen zu treffen. Einiges war wahrscheinlicher als anderes, aber die Möglichkeit, dass in der Solaren Liga ein gewählter Volksvertreter auf Bundesebene echte Macht ausübte, war in etwa so wahrscheinlich, wie die Aussicht, dass Wasser plötzlich beschloss, ohne Zuhilfenahme eines Kontragravs von unten nach oben zu fließen.
    Allen wehmütigen Tagträumen zum Trotz, denen sich Carmichael gelegentlich hingab, war das der eigentliche Grund, weshalb ein Josef Byng den Admiralsrang erreichen oder ein Lorcan Verrochio Kommissar in einer Organisation wie dem Amt für Grenzsicherheit werden konnte. Wenn ein »unqualifizierter Hanswurst« von der Wählerschaft keine Macht verliehen bekommen konnte, dann konnte sie niemand erhalten. Und wenn jene, die die wahre Macht ausübten, sich keinem Wähler gegenüber verantworten mussten, dann konnten sie auch nicht von der Macht entfernt werden. Die Konsequenzen dessen waren, so unausweichlich wie der Sonnenaufgang, ein ungezügelter Aufbau von Hausmacht, Korruption und Verantwortungslosigkeit, und ob er nun selbst »Bürokrat« war oder nicht, Sir Lyman Carmichael wusste, welches System er bevorzugte.
    Leider lag der solarischen Verfassung kein solches System zugrunde – eine Tatsache, der sich Roelas y Valiente noch deutlicher bewusst war als er, daran zweifelte er nicht. Die Mütter und Väter der Verfassung der Solaren Liga hatten Dutzende und Aberdutzende bereits bewohnter, dicht besiedelter Sonnensysteme vertreten. Einige dieser Planetensysteme waren tausend Jahre vor der Gründung der Liga kolonisiert worden. Alle hatten sie erkannt, welche Vorteile es bot, den interstellaren Handel zu kontrollieren, eine einzelne interstellare Währung zu schaffen und effiziente Regulierungsbehörden ins Leben zu rufen, die die interstellaren Finanzen und Investitionen im Auge behielten und ihre Bemühungen koordinierten, um die Auslieferung interstellar tätiger Verbrecher zu erreichen, die Piraterie zu unterdrücken und Statuten wie den Eridanus-Erlass und die Übereinkunft von Deneb durchzusetzen. Sie hatten jedoch auch ein Jahrtausend der Selbstregierung hinter sich, ein ganzes Jahrtausend, in dem sich eigene planeten- und systemweite Identitätsgefühle gebildet hatten. Die erste Loyalität hatte den eigenen Welten gegolten, den eigenen Staaten, aber nicht einem neuen galaxisweiten Superstaat, und keiner war bereit gewesen, seine hart erarbeitete Souveränität und individuelle Identität irgendjemandem zu opfern – nicht einmal der Mutterwelt der Menschheit –, nur um ein effizienteres Regulierungsklima zu ermöglichen. Daher war sorgsam eine Verfassung geschaffen worden, die die Zentralregierung der Liga jedes Zwangsmittels beraubte. Die politische Macht der föderalen Regierung war ihres Kerns beraubt worden, indem jedes Vollmitglied der Liga ein Vetorecht besaß: Jedes Sonnensystem hatte rechtlich die Macht, jede Gesetzgebung, die ihm missfiel, im Keim zu ersticken. Das Ligaparlament war dadurch zu einem Debattierklub verkommen. Die gleiche Verfassung verbot der Liga zugleich jedwede direkte Besteuerung ihrer Bürger.
    Beabsichtigt gewesen war, den Mitgliedssonnensystemen eine Möglichkeit zu geben, sich einerseits vor einer despotischen Zentralgewalt zu schützen und andererseits dem potenziell zwin genden Arm dieser Zentralgewalt eine Finanzierung zu verwehren, die ihm vielleicht gestattet hätte, die Rechte der Bürger zu untergraben.
    Leider hatte sich das Gesetz der unbeabsichtigten Folgen nicht umgehen lassen. Das umfassende Vetorecht hatte die politische Macht der Liga wie gewünscht ausgehöhlt, doch durch diesen Erfolg war ein gefährliches Vakuum entstanden. Damit die Liga überhaupt überleben konnte, geschweige denn zu leisten, was ihren Gründern vorgeschwebt hatte, musste es eine Zentralgewalt geben, die die erforderlichen Verwaltungsaufgaben bewältigte. Im Grunde war es eine einfache Entscheidung gewesen, fand Carmichael. Entweder

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