Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
hin und wieder so etwas, aber was geschehen ist, das bleibt Ihnen erhalten. Und es ist nicht leichter, wenn es das nächste Mal geschieht – jedenfalls nicht emotional. Sie müssen herausbekommen, wie Sie mit den Erinnerungen am besten umgehen und trotzdem weitermachen. Und auch das ist nicht einfach.«
»Wie machen Sie es?«
»So genau weiß ich das gar nicht«, gab Heather zu. »Ich würde sagen, ein großer Teil ist in meinem Fall tatsächlich Familientradition.« Sie lächelte ein wenig traurig. »In der Navy gab es McGills, seit es dort Saganamis gibt. Viele von ihnen sind im Dienst ums Leben gekommen, daher haben wir viel Übung darin, mit solchen Verlusten umzugehen – als Familie, meine ich. Meine Mom und mein Dad sind beide aktive Offiziere.
Nun, Mom ist gerade von Basingford ab kommandiert – sie ist Psychologin, und die Navy lässt sie mit Dr. Arif und ihrer Kommission die Baumkatzen untersuchen –, aber Dad ist Captain of the List und seinem letzten Brief zufolge für einen der neuen Saganami-Cs vorgesehen. Die beiden sind schon sehr gute Ansprechpartner. Und« – ihr Blick verdüsterte sich – »wir alle mussten lernen, wie man damit umgeht, nachdem mein Bruder bei Grendelsbane gefallen war.«
»Das wusste ich nicht – das mit Ihrem Bruder, meine ich«, sagte Jackson leise, und Heather zuckte die Achseln.
»Das konnten Sie auch nicht wissen.«
»Nein, wohl nicht.«
Jackson senkte den Blick, solange sie benötigte, um ihr Sandwich fertig zu machen, dann hob sie es, als wollte sie abbeißen, nur um es unberührt wieder hinzulegen. Heather sah sie leicht fragend an und neigte den Kopf zur Seite, und der ELO schnaubte leise.
»Ich mache mich verrückt«, sagte sie.
»So weit würde ich nicht gehen«, widersprach Heather. »Sie scheinen aber etwas auf dem Herzen zu haben. Warum sagen Sie mir nicht einfach, was es ist?«
»Ich …«, begann Jackson, nur um wieder zu verstummen. Sie schlug wieder die Augen nieder und starrte auf ihre Hände, während ihre Finger methodisch die Kruste von ihrem Sandwichbrot lösten. Dann atmete sie tief durch und sah hoch. Als sie Heather in die Augen schaute, lag kein Zögern mehr in ihrem Blick: Nun brannte er.
»Ich weiß zwar, dass ich es nicht tun sollte, aber ich wünsche mir nur, dass Admiral Gold Peak jeden einzelnen von diesen Mistkerlen aus dem All pustet!«, rief sie zornig. »Ich weiß, es ist falsch, sich das zu wünschen. Ich weiß, dass die meisten Menschen an Bord dieser Schiffe überhaupt keine Wahl geblieben ist. Ich weiß auch, dass wir nichts weniger gebrauchen können als einen Krieg mit der Solaren Liga. Trotzdem, ich muss ständig daran denken, was mit Thor – und den vielen anderen – ohne jeden vernünftigen Grund passiert ist, und ich will nicht die ›angemessene Reaktion‹. Ich will, dass jemand die Mörder meines Bruders und seiner Freunde tötet!«
Sie verstummte abrupt, und ihre Lippen wurden schmal, so fest schloss sie ihren Mund. Einen Augenblick lang sah sie weg, dann zwang sie sich zu einem Lächeln. Es war hart und angespannt – eigentlich mehr eine Grimasse als ein Lächeln –, aber wenigstens versuchte sie es, dachte Heather.
»Tut mir leid«, sagte Jackson.
»Was tut Ihnen leid?« Heather sah sie spöttisch an. »Dass Sie denen den Tod wünschen? Seien Sie nicht albern – natürlich wünschen Sie ihnen den Tod! Die Sollys haben Ihren Bruder getötet, und Sie sind Raumoffizier. Ein Raumoffizier, der sich sein Spezialgebiet in der Gefechtsführung ausgesucht hat. Sollte es Sie wirklich überraschen, wenn Ihre Instinkte und Ihre Emotionen wollen, dass diejenigen, die ihn getötet haben, dafür bezahlen?«
»Aber es ist unprofessionell«, protestierte Jackson halbherzig. Heather wölbte eine Augenbraue, und der ELO machte eine ungeduldige, frustrierte Handbewegung. »Ich meine, ich sollte mir doch eigentlich sagen können, dass es für uns kein besseres Ende gibt, als wenn die Angelegenheit beigelegt wird, ohne dass jemand verletzt wird.«
»Ach, seien Sie doch nicht albern!« Heather schüttelte den Kopf. »Sie merken doch wohl selber, das ist der Grund, weshalb Sie wütend auf sich sind, weil Sie etwas anderes wollen! Und wenn ich Ihnen jetzt sagen soll, dass Sie recht haben, wenn Sie deshalb über sich selbst wütend sind, dann können Sie lange warten. Wenn Sie in der Lage wären zu bestimmen, wie es ausgeht, und sich von Ihren Empfindungen zu einem Massaker verleiten ließen, das vermeidbar wäre, dann hätten
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