Weber, David - Honor Harrington - Sturm der Schatten
irgendeine Notwendigkeit dazu sieht, und ich finde, wenn er damit gut zurechtkommt, dann sollten wir es dabei belassen. Wenn für ihn und seine Vorgesetzten alles gut läuft, dann gilt das auch für uns. Und wenn nicht, wenn uns alles aus den Händen gleitet, dann wäre es vielleicht ganz gut, wenn es keine Aufzeichnungen gäbe, denen eventuell zu entnehmen wäre, dass wir Byng angestachelt hätten. Wenn er jetzt schon bereit ist, einseitig gegen die Mantys vorzugehen, dann soll er doch. Wenn es uns nützt, was er tut – gut. Wenn nicht, ist die Navy schuld und nicht wir.«
Verrochio dachte darüber offensichtlich einen Augenblick lang nach, dann nickte er. Sein Gesichtsausdruck wurde sogar beträchtlich fröhlicher als vorher.
»In diesem Fall«, sagte er und nahm den Ausdruck des ersten offiziellen Ersuchens New Tuscanys um solarischen Beistand gegen die systematischen manticoranischen Schikanen zur Hand, »sollten wir das hier nur zu den Akten legen. Hätte ja keinen Sinn, wenn es noch in die Hose geht.«
»Nein, Sir. Das hätte überhaupt keinen Sinn«, stimmte Hongbo ihm zu. Niemand, dem die üblichen Vorgehensweisen innerhalb des Office of Frontier Security vertraut waren, hätte sich davon täuschen lassen, aber das spielte keine Rolle. Der Grund, weshalb sich niemand täuschen ließ, war der, dass erprobte Taktiken am besten waren – und am sichersten. Die Note New Tuscanys war der erste Schritt in einem vertrauten Tanz, und es hätte nicht zu der gewaltigen, unparteiischen Macht des OFS beigetragen, wenn es sich zu voreiligen, unüberlegten Schritten hätte treiben lassen. Es war erforderlich, zuerst die Grundlagen zu legen. Ehe die Grenzsicherheit handelte, sollten sich mehrere Noten und Ersuchen der gegenwärtigen Hilfsnation des OFS ansammeln und damit die ernste, permanente Natur des Problems belegen, wenn sie den Medien freigegeben (oder zugespielt) wurden. Mit einer hinreichend umfangreichen Akte konnten die Schönredner des OFS fast alles in eine edle, selbstlose Reaktion auf eine unerträgliche Situation verwandeln.
Immerhin besaßen sie darin sehr viel Erfahrung.
»Also gut«, sagte Verrochio und ließ den Ausdruck über die Tischplatte zu Hongbo schlittern. »Legen Sie eine Akte an. Irgendwie« – er grinste dünn, obwohl ein gewisses Unbehagen blieb – »glaube ich nicht, dass das hier der letzte Eintrag sein wird.«
»Guten Tag, Valery«, sagte Hongbo Junyan, als seine Sekretärin zwei Tage später Valery Ottweiler in sein Büro führte.
Hongbos Büro war um eine Winzigkeit kleiner als das Verrochios und bot eine nicht ganz so gute Aussicht auf Pine Mountain, doch war es dennoch luxuriös. Durch den weiten Raum ging er Ottweiler entgegen und schüttelte ihm die Hand, dann führte er ihn in die Gesprächsecke mit dem Couchtisch, der aus einem einzigen Steinblock bestand. Eine Thermoskanne mit Kaffee, eine Teekanne und ein Teller mit frischen Croissants standen darauf, und Hongbo bot seinem Besucher mit einer Handbewegung einen Platz an.
»Danke sehr, Junyan«, sagte Ottweiler.
Der Mesaner ließ sich auf den angewiesenen Sessel sinken, wartete, bis Hongbo ihm persönlich eine Tasse Tee eingeschenkt hatte und sich selbst einen Kaffee nahm. Was für eine kleine gemütliche häusliche Szene, dachte Ottweiler; die meisten Menschen hätten sich von Hongbos gelassenem Gebaren vermutlich täuschen lassen. Ottweiler hingegen kannte den Solarier erheblich besser als die meisten anderen Menschen und merkte ihm seine Nervosität an.
»Ich war ein wenig überrascht, als Sie um dieses Treffen ersuchten«, sagte Hongbo schließlich und lehnte sich mit seinem Kaffee zurück. »Wir haben die erste Note von New Tuscany erst vorgestern erhalten, wissen Sie. Unter den Umständen hätte ich ein etwas … unauffälligeres Verhalten für angemessen gehalten.«
»Ich habe auch nicht gerade auf einer Pressekonferenz bekannt gegeben, dass ich Sie aufsuche«, entgegnete Ottweiler mit leichtem Lächeln. »Und seien wir ganz ehrlich miteinander, Junyan – wird sich irgendjemand, der weiß, was in der Galaxis wirklich los ist, täuschen lassen, wenn ich mich bedeckt halte? Selbst wenn ich nichts über die normalen ruchlosen Ränke von Mesa und Manpower wüsste, würde doch trotzdem jeder annehmen, ich wäre informiert. Wenn das aber so ist, warum dann all die Unbequemlichkeiten und Kräftevergeudung bei dem Versuch, im Dunkeln umherzukrauchen?«
Hongbo fand die demonstrative Heiterkeit seines Gastes kein
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