Weber David - Schwerter des Zorns - 2
hatte sich der Kurier
nur mit Norframs Hilfe überhaupt bis nach Durghazh durchschla
gen können. Obwohl er etwas spät eingetroffen war, eröffnete Bahn
ak dieser Bericht mehrere interessante Möglichkeiten.
Offensichtlich steckte Churnazh in größeren Schwierigkeiten, als
Bahnak sich hätte träumen lassen. Tomanâks Auftauchen in Hur
grum und die Gründung des ersten Hradani-Kapitels seines Ordens,
ebenfalls in Hurgrum, unter der Führung eines Sohnes der regieren
den Prinzen, hatte Churnazhs Allianzen bis ins Mark erschüttert.
Die Bestätigung, dass es Sharnâ gelungen war, in Navahk unbe
merkt Fuß zu fassen, war ein weiterer Schock gewesen. Und obwohl
Tomanâk selbst bestätigt hatte, dass Churnazh nichts davon ge
wusst hatte, versetzte diese alarmierende Neuigkeit den Allianzen
einen ernstlichen Tiefschlag. Und da Bahzell darauf bestanden hatte,
die Wahrheit über die Blutrunst allen Hradani-Völkern zu verkün
den – gegen den heftigen Widerstand seines Vaters, wie Bahnak wi
derwillig einräumte –, fanden sich die Hradani, Blutklingen, Pferde
diebe und alle anderen Völker gleichermaßen tief in Tomanâks
Schuld. Gleichzeitig hatte es Seinem Orden ungeheures Prestige ge
bracht. Trotz Bahnaks Widerstand gegen den Zeitpunkt der Verkün
digung hatte es ihm die Meriten eingebracht, der Prinz zu sein, in
dessen Reich sich der Orden zuerst etabliert hatte. All das erschüt
terte Churnazhs Stellung ernstlich.
Doch der Machtverfall von Navahk hörte dort längst nicht auf. Die
meisten Beobachter waren schon lange der Meinung, dass Navahk
seinem Kontrahenten Hurgrum hoffnungslos unterlegen sei. Es kur
sierten Gerüchte, dass jemand außerhalb der Hradani-Länder Bahn
ak mit Waffen und Rüstungen versorgte, was die unterschiedlichen
Fähigkeiten der beiden Führer betonte. Arvahl von Sondur hatte als
Erster die Seiten gewechselt, doch auch bei vielen anderen Verbün
deten brodelte es gefährlich. Ein oder zwei Prinzen waren sogar so
weit gegangen, heimlich mit Marglyth Kontakt aufzunehmen. Das
verlockte Bahnak dazu, sich einfach zurückzulehnen und abzuwar
ten, wie viele Bundesgenossen von Churnazh ihm ohne einen einzi
gen Schwertstreich noch in den Schoß fallen würden. Dass Chur
nazh Halâshu exekutiert hatte, einen Mann, der so lange Jahre sein
engster Vertrauter gewesen war, verstärkte diese Versuchung noch.
Vorausgesetzt, die Berichte stimmten.
Wovon Bahnak ausging. Halâshu war zwar kein Genius gewesen,
doch er hatte im Unterschied zu Churnazh Tomanâk mit eigenen
Augen gesehen, ja sogar mit ihm gesprochen. Unter diesem Ein
druck war er möglicherweise zu der Überzeugung gelangt, es müsse
für Navahk selbstmörderisch sein, gegen Hurgrum zu kämpfen.
Selbst wenn die Götter sich nicht offiziell auf Bahnaks Seite schlu
gen, schätzten sie ihn offenbar erheblich mehr als Churnazh. Ob
Halâshu den Fehler gemacht hatte, diese Ansicht zu nachdrücklich
zu vertreten, oder ob er sich sogar hatte hinreißen lassen, ein Kom
plott zu schmieden, spielte angesichts der Tatsache keine Rolle, dass
sich Churnazh offenbar gezwungen sah, ein Exempel an seinem al
ten Weggefährten zu statuieren.
Auch wenn es Bahnak sehr reizte zuzusehen, bis sich Churnazh
selbst zerstört hatte, wagte er nicht, diesem Impuls nachzugeben.
Die Blutklingen wankten, waren untereinander zerstritten und hat
ten einen Führer, der erheblich geschwächt schien. Gab Bahnak ih
nen genug Zeit, würde zweifellos jemand Churnazh einen Dolch in
den Rücken rammen. Das durfte der Prinz von Hurgrum nicht zu
lassen. Es wäre zwar eine saubere Lösung für viele seiner Probleme,
gleichzeitig jedoch würde ihm ein Tyrannenmord einen ganzen
Haufen ebenso unschöner, vielleicht noch schlimmerer Schwierig
keiten bescheren. Denn wer auch immer Churnazh auf den Thron
Navahks folgte, befand sich mit Gewissheit in einer stärkeren Positi
on als der derzeitige Prinz von Navahk. In einer schwächeren konn
te sich ja schwerlich irgendjemand befinden!
Nein, Bahnak durfte nicht einfach stillhalten und darauf warten,
dass jemand Churnazh vom Thron stieß. Er musste jetzt reagieren,
wenn er dieser endlosen Fehde zwischen Blutklingen und Pferde
dieben ein für alle Mal ein Ende bereiten wollte. Außerdem gestand
er sich ein, dass er sich und seinen Söhnen eine richtige Königskrone
auf den Kopf setzten wollte.
»Die Straßen, Gurlahn?« fragte er, ohne seinen Blick von der Karte
abzuwenden. Er hatte seine Stimme nicht gehoben, doch sie rollte
wie ein Gewitter in
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