Weber David - Schwerter des Zorns - 2
denke, dass die Beleidigung mir galt, nicht Euren Brüdern«,
grollte der Pferdedieb.
»Sie galt Euch und damit dem Gott Selbst«, stimmte Herr Charrow
zu. »Aber sie wurde von einem Mitglied des Ordens geäußert, also
wurden wir entehrt.«
»Ich bin überzeugt, dass Er es ganz ausgezeichnet versteht, sich
seiner Beleidigungen und Genugtuungen anzunehmen. Und diese
Entehrung interessiert mich nicht.« Die Stimme des Hradani schnitt
wie kalter Stahl durch den Flur, und auch wenn Herr Charrow ein
kampferprobter Kämpe war, überlief es ihn nun eiskalt beim An
blick des bösartigen Lächelns, das Bahzell Vaijon beinahe zärtlich
zuwarf. Blankes Grauen machte sich im Herzen des Kapitelmeisters
breit. »Ihr habt nicht ganz Unrecht, mein Junge«, erklärte der Pfer
dedieb dem wie betäubt dastehenden jungen Ritter. »Ich bin tatsäch
lich nichts anderes als das, was Ihr vor Euch seht. Der gute alte To
manâk lacht sich bestimmt Seine göttliche Seele aus dem Leib, weil
ich herumgelaufen bin und mich ›Herr dies‹ oder ›Paladin das‹ nen
nen lassen musste. Und auch mein Familienstammbaum ist nicht
annährend so wohlklingend wie der vieler anderer. Aber Ihr habt
Euch mir gegenüber so freimütig geäußert, nicht Herrn Charrow ge
genüber und auch nicht dem Orden gegenüber, sondern mir, Bah
zell Bahnakson! Also habt Ihr mir Genugtuung zu leisten, nicht dem
Orden.«
»Milord, Ihr könnt nicht …!« Die Worte sprudelten Charrow förm
lich über die Lippen, doch Bahzells erhobene Hand gebot ihm Ein
halt. Der andere verstummte unter dem mörderischen Blick des
Pferdediebes.
»Ihr alle werdet nicht müde, mich jetzt schon seit Tagen einen Pa
ladin des Tomanâk zu nennen«, sagte er ruhig. »Bin ich das?« Char
row nickte hilflos und Bahzell fletschte erneut die Zähne. »Hat ein
Paladin zufälligerweise nicht auch das Recht, seinem eigenen Ver
ständnis von der Gerechtigkeit des Waagenmeisters zu folgen?«
Charrow nickte wieder. »Und überstimmt Seine Gerechtigkeit und
damit meine Auslegung nicht zufällig auch Eure Autorität?« Char
row hatte keine Wahl und nickte erneut, was Bahzell seinerseits mit
einem knappen Nicken quittierte. Dann deutete er mit einem Ru
cken seines Kinns auf Vaijon.
»In diesem Fall solltet Ihr dem Jüngling da seine Waffen wohl bes
ser zurückgeben, Herr Charrow, denn er wird sie morgen früh drin
gend benötigen.«
Dann drehte er sich um und lächelte Vaijon auf eine Art an, die ei
nem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Seine Stimme klang so lei
se und gefährlich wie eine Schlange, die mit ihren rauen Schuppen
über einen Stein glitt.
»Ihr habt offenbar eine Menge über Barbaren und Hradani und die
Diener der Dunkelheit zu sagen, Vaijon von Almerhas. Wohlan
denn, morgen früh werdet Ihr einem Barbaren gegenüberstehen, der
Euch zeigt, was ein Hradani wirklich ist.«
5
Herr Vaijon von Almerhas verbrachte keine sonderlich geruhsame
Nacht.
Allerdings muss man gerechterweise einräumen, dass nicht Furcht
die Ursache seiner Schlaflosigkeit war. Da er in den letzten acht an
strengenden Jahren seiner häufig recht brutalen Ausbildung keinen
einzigen Kampf verloren hatte, konnte er sich nicht vorstellen, dass
er ausgerechnet jetzt unterliegen sollte, gegen wen auch immer. Zu
dieser Überzeugung gelangte er nicht nur durch sein Selbstbewusst
sein. Trotz seines unverzeihlichen Wutausbruchs und Fehlverhal
tens war er ein Ritter des Tomanâk, der dem Orden und seinen Be
fehlshabern den Treuschwur geleistet hatte. Nachdem er dieses Ge
lübde gebrochen hatte, war er sowohl vor seinen eigenen Augen als
auch vor denen seiner Gefährten aus ihren Reihen ausgestoßen. Das
war ihm vollkommen klar. Welche Makel Bahzell Bahnakson als Pa
ladin von Tomanâk auch aufweisen mochte, er hatte Herrn Vaijon
die Gelegenheit gegeben, dieses Verdikt aufzuheben, ob ihm das be
wusst war oder nicht. Indem er nämlich ihre Auseinandersetzung in
einem Waffengang entscheiden wollte, über dessen Ausgang mit al
len Konsequenzen Tomanâk selbst richten sollte.
Und diesen Kampf wollte Herr Vaijon auf keinen Fall verlieren.
Dennoch konnte er sich auf dieses Duell nicht auf dieselbe Art und
Weise vorbereiten, wie er das in früheren Fällen getan hatte. Er
zweifelte nun nicht etwa an seiner Tüchtigkeit, sondern tief in sei
nem Inneren flüsterte ihm eine leise Stimme zu, dass er diesen Waf
fengang eigentlich verlieren sollte. Denn gleichgültig, wie sehr er
sich anstrengte, er konnte einfach keine Entschuldigung für sein
Weitere Kostenlose Bücher