Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Be
nehmen finden. Herr Charrow hatte Recht gehabt, Vaijon hatte sich
und den Orden entehrt. Eine leise Stimme in einem Winkel seines
Herzen mochte bitter enttäuscht aufheulen, dass Tomanâk nicht das
Recht hatte, eine so hohe Ehre an einen Barbaren zu verschwenden,
doch selbst dieses Argument bot einem wahren Ritter keine Ent
schuldigung für ein solches Verhalten. Und auch der Gedanke, dass
er Bahzell besiegen und damit beweisen würde, dass dieser Hradani
kein Recht auf eine so hohe Stellung hatte, wie er sie beanspruchte,
konnte nicht den unseligen Verdacht in Vaijon unterdrücken – einen
leisen, schwächlichen Verdacht zwar, der sich aber bedauerlicher
weise sehr hartnäckig hielt –, dass er, Vaijon, es diesmal schlichtweg
nicht verdient hatte zu gewinnen.
Als der junge Proband in dieser Nacht neben seinen Waffen Wa
che hielt, schob er jedoch jeden Gedanken an eine Niederlage beisei
te, wann immer er sich auch regte. Stattdessen rief er sich lieber im
mer wieder frisch ins Gedächtnis, wann Bahzell zu weit gegangen
war, konzentrierte sich auf die Wut, mit der ihn die bloße Existenz
des Hradani erfüllte, und gelobte sich, am nächsten Morgen all sei
nem Ärger und seiner Enttäuschung Genugtuung zu verschaffen.
Doch während die Nacht langsam und zäh vorüberging, zwang er
sich, der Möglichkeit ins Auge zu sehen, dass er diesen Kampf ver
lor. Und beinahe war er überrascht, als er die möglichen Konsequen
zen ermaß. Bahzell hatte ihn zu einem Kampf auf Leben und Tod
herausgefordert. Falls Vaijon verlor, würde er vermutlich sterben. Er
war noch zu jung, um sich von diesem Gedanken allzu sehr nieder
drücken zu lassen, obwohl er natürlich auch diese Möglichkeit rein
verstandesmäßig erkannte. Die Vorstellung, dass er für seine Fehler
bestraft würde, wenn er verlor, empfand er jedoch merkwürdiger
weise als tröstlich. Dennoch beabsichtigte er, als Sieger aus diesem
Waffengang hervorzugehen und dadurch den Makel seiner Verfeh
lung auszulöschen. Eine – wenn auch unwahrscheinliche – Nieder
lage würde ihn trotzdem auf eine andere Art reinwaschen, und sei
ne tiefe und gelobte Hingabe an Tomanâk, die ihn überhaupt in den
Orden hatte eintreten lassen, erfüllte ihn mit Freude auch über diese
Möglichkeit.
»Du … hast doch nicht wirklich vor, ihn … also ich meine …?«
Brandark ließ den Satz unvollendet und richtete sein verstümmeltes
Ohr auf Bahzell, der die Riemen seines Brust- und Rückenpanzers
sorgfältig zuschnallte.
»… ihn was?« erkundigte sich der hünenhafte Pferdedieb ohne
von seiner Beschäftigung aufzusehen.
»Mir ist klar, dass Vaijon ein wirkliches Ärgernis ist«, antwortete
Brandark ausweichend. »Ich selbst hätte ihn mir oft genug liebend
gern vom Hals geschafft. Ich frage mich nur, was genau du heute
Morgen mit ihm anstellen willst.«
»Mit ihm anstellen?« Bahzell hatte endlich den letzten Riemen be
festigt und blickte hoch. Seine tiefe Stimme klang beinahe höhnisch.
»Du hast sicher dieselben Geschichten gehört wie ich, Brandark,
mein Freund. Vaijon, um dessen Leben du so besorgt bist, ist To
manâks bis an die Zähne bewaffnetes Gottesgeschenk an uns Sterbli
che. Er ist geradezu unbesiegbar und mein Herz bibbert allein beim
Gedanken an ihn vor Angst!« Das Lächeln des Pferdediebs war eisig
und bestätigte den Verdacht, den Herrn Charrows Fragen in Bran
dark geweckt hatten. Allmählich machte er sich wirklich Sorgen.
»Wir sollten nichts überstürzen, Bahzell. Niemand bestreitet, dass
du jedes Recht hast, wütend zu sein. Aber Vaijon ist nur ein Jüng
ling, und dazu auch noch vollkommen verzogen. Man kann ganz
deutlich sehen, so gut wie man die Nase in deinem Gesicht sieht –
oder in meinem, wenn dir das lieber ist –, dass niemand ihm je ge
sagt hat …«
»Für diese Moralpredigt ist es zu spät, Brandark«, unterbrach ihn
Bahzell, nahm das Schwert aus dem Gestell und schlang sich das
Gehänge über die Schulter. Seine Stimme war so grimmig, dass
Brandark unwillkürlich die Stirn runzelte. »Außerdem ist Vaijon
kein ›Jüngling‹.« Bahzells Stimme klang jetzt noch grimmiger. »Sein
Alter entspricht für sein Volk etwa dem unseren bei den Hradani,
und zudem ist er auch noch ganz offiziell zum Ritter geschlagen
worden. Er ist es doch, der ständig von ›ritterlich hier‹ und ›ritter
lich da‹ faselt, ganz zu schweigen von ›ritterlich zu anderen‹, und
dabei schmollt er die ganze Zeit wie ein verzogenes Gör. Ich denke,
es ist lange überfällig,
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