Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Aber tief in seinem Innersten
wusste er, ob er es sich nun eingestehen konnte oder nicht, dass er
betrogen worden war. Indem der Kriegsgott jemanden wie Bahzell
zu seinem Paladin erwählt hatte, hatte er das Vertrauen von Vaijon
von Almerhas erschüttert. Indem er ihn zwang, die überwältigende
Autorität von jemandem anzuerkennen, der nicht einmal wert war,
die Schweine des Fürsten Waldemuhr zu füttern, verspottete To
manâk dreißig vornehme Generationen des edlen Geschlechts derer
von Almerhas.
Da Vaijon es jedoch nicht über sich brachte, den Gott höchstper
sönlich dafür verantwortlich zu machen, blieb nur eine einzige Per
son übrig, der er die Schuld dafür in die Schuhe schieben konnte. Er
presste seine Kiefer noch fester zusammen, als er durch den Korri
dor zu seiner kleinen, spartanisch eingerichteten Kammer stürmte.
Er kämpfte gegen seine Wut an, mit derselben Vehemenz, mit der er
auch einen Diener des Dunklen befehdet hätte. Denn trotz seines
Zorns war ihm klar, dass ein Ritter des Ordens einen solchen Grimm
nicht empfinden sollte. Aber er war nur ein Mensch, dazu noch
jung, und sein Widerstand gegen seine Wut steigerte sie nur noch,
als er schließlich feststellen musste, dass er nicht in der Lage war, sie
zu ersticken.
Achtlos bog er um eine Ecke und taumelte stöhnend zurück, als er
ungebremst in etwas hineinrannte, das ihm von der anderen Seite
entgegenkam. Beinahe wäre er gestürzt.
»Entschuldigt!« begann er steif und schaffte es, auf den Beinen zu
bleiben. »Ich …«
Dann sah er, wen er vor sich hatte, und die Worte blieben ihm in
der Kehle stecken.
»Macht nichts, Junge«, erwiderte Bahzell liebenswürdig. »Der Kor
ridor ist nicht sonderlich breit, und ich nehme auf jeder Straße eine
Menge Platz ein. Also …«
»Behandelt mich nicht so herablassend!« fuhr ihn Vaijon an.
Schon während er die Worte ausstieß, wusste er, dass er im Un
recht war. Seine Unhöflichkeit war sogar schlimmer als ein Unrecht,
denn er verletzte damit sein Ordensgelübde. Er war ein Ritterpro
band, nicht einmal ein vollwertiger Rittergefährte, und dieser Mann
hier vor ihm war ein Paladin. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Das
heißt, es spielte sehr wohl eine Rolle, aber er konnte nichts dagegen
tun. Enttäuschung und Wut flammten in seinen Augen auf, und er
sah, wie der sonst freundliche Blick des Hradani kälter wurde, sah,
wie er die Ohren anlegte und seine Rechte unwillkürlich zum Griff
des Dolches zuckte, den er am Gürtel trug. Aber das kümmerte Vai
jon nicht.
»Ich habe nicht vor, jemanden herablassend zu behandeln, Herr
Vaijon.« Der tiefe Bass klang hart und hörte sich an, als würden
Felsbrocken eine Klippe hinunterprasseln. Das helle, gierige Fla
ckern in Bahzells Augen hätte jeden Hradani gewarnt und ihm ver
raten, wie stark der Ärger war, den er empfand. Aber Vaijon war ein
Mensch, und er hatte auch noch nie einen Hradani im Griff der
Blutrunst erlebt. Er hatte keine Ahnung, in welch tödlicher Gefahr er
sich befand. Trotz seiner Wut erkannte er jedoch, wenn auch nur an
deutungsweise, die Mühe, mit der sich Bahzell beherrschte.
Das machte es jedoch nur noch schlimmer, denn Bahzell sprach
wie ein reifer Mann. Für Vaijon hörte es sich jedoch so an, als würde
ein Erwachsener ein aufgebrachtes, verzogenes Kind durch sein
leuchtendes Beispiel zurechtweisen.
»O doch, das habt Ihr!« spie er hervor. Er konnte den Wirbelsturm
der Gefühle nicht mehr kontrollieren, der in ihm tobte. »Ich brauche
dein Verständnis nicht, Hradani! Ich brauche nichts von dir oder
deinem stinkenden Clan oder …!«
»Vaijon!«
Die Stimme klang wie ein Peitschenhieb und die Autorität in die
sem einen Wort schnitt wie eine Klinge durch Vaijons lodernde Wut.
Er erstarrte. Einen Augenblick lang schien das ganze Universum
stillzustehen, regungslos und wartend, wie gelähmt zwischen zwei
Herzschlägen. Dann endete diese fürchterliche, eingebildete Ewig
keit, doch die Realität entpuppte sich als noch schlimmer. Viel
schlimmer.
»Ihr benehmt Euch ausgesprochen unhöflich, Herr Vaijon«, fuhr
die Stimme hinter ihm fort. Sie war kälter als der Winter in Vonder
land und schärfer als eine Klinge aus Zwergenheim. »Ihr vergesst
Euch und den Respekt, den Ihr einem Paladin unseres Gottes schul
det, und mit Eurem Verhalten beleidigt Ihr Ihn, Dem wir mit Klinge,
Blut und Seele dienen.«
»Ich glaube, er war nur ein bisschen …« begann Bahzell.
»Bitte schweigt, Milord Paladin.« Charrows Worte klangen zwar
respektvoll, in
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