Weber David - Schwerter des Zorns - 2
Axtklingen-Hügel schlängelte, die die Hauptstadt des
Reiches wie eine riesige, natürliche Brustwehr umringten. In jedem
anderen Land hätte man solche Hügel Berge genannt, doch die ge
waltigen Anhöhen des Ostwandmassivs, die die östliche Grenze des
Reiches bildeten, verbaten den Landvermessern der Axtmänner die
se Bezeichnung für jeden kleineren Gipfel. Bahzell dagegen wählte
den Begriff ohne zu zögern, als er durch die eisige, schneidende Käl
te und den Schnee stapfte, der kurz nach Anbruch des Morgens im
mer stärker fiel. Mittlerweile war es später Vormittag, und er biss
die Zähne zusammen, als ihm eisige Schneekristalle in die Augen
peitschten. Es sah ganz so aus, als zöge da ein ausgewachsener
Schneesturm auf. Doch auch wenn der Wind bitterkalt war, hatte
Bahzell auf der Ebene des Windes bei den Sothôii viel Schlimmeres
erlebt. Es lag an ihrem zügigen Weiterkommen in der letzten Wo
che, dass ihnen ein solcher Sturm jetzt wie der Atem von Eisdämo
nen vorkam. Allerdings machte dieses Wissen die Sache nicht ange
nehmer. Und schon gar nicht ungefährlicher. Wenn der Sturm noch
mehr an Kraft gewann, konnte er einen unvorsichtigen Reisenden
schnell das Leben kosten.
Das plötzliche Abflauen des Verkehrs auf der Hochstraße an die
sem Morgen hätte ihn warnen sollen, dass ein Unwetter heraufzog.
Zweifellos hatten die Einheimischen, die an das launische Wetter in
diesen Landstrichen gewöhnt waren, die Klugheit besessen, zu Hau
se zu bleiben. Vermutlich hätten sie jedem Reisenden, der sie gefragt
hätte, geraten, dasselbe zu tun.
Doch Bahzells Eifer, Beilhain zu erreichen, hatte ihn veranlasst, ein
schärferes Tempo einzuschlagen als am Tag zuvor. Er hatte nicht an
halten wollen, als sie die letzte Stadt etwa zwei Stunden vor Sonnen
untergang erreichten, deshalb hatten sie am Straßenrand ihr Lager
aufgeschlagen, statt in einer gastlichen Schänke, deren Wirt sie ge
wiss davor gewarnt hätte, heute weiter zu reisen. Und auch das hob
Bahzells Laune nicht gerade und verbesserte ebenso wenig ihre La
ge.
Er schaute sich um und verzog das Gesicht. Früher einmal hätte er
wenig Zeit darauf verschwendet, Götter um etwas zu bitten. Er hätte
sie nur aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen, wofür er ihnen zuge
standen hätte, sie ebenso wenig zu beachten und ihnen keine Vor
würfe wegen irgendwelcher Unbequemlichkeiten zu machen. Aber
diese Haltung hatte sich in letzter Zeit ein wenig geändert, und Bah
zell spielte kurz mit dem Gedanken, ein Gebet zu sprechen, auf dass
dieses Unwetter an ihnen vorüberziehe. Bedauerlicherweise war To
manâk nicht fürs Wetter zuständig, sondern seine Schwester Che
malka. Und diese Göttin interessierte sich nicht im Geringsten für
die Belange von Sterblichen, wenn sie ihr Flehen überhaupt hörte.
Die Lady des Sturms tat, was ihr gefiel und wann es ihr passte, und
im Augenblick schien sie sich daran zu ergötzen, Bahzell Bahnakson
mehrere Meter Schnee auf den Kopf fallen zu lassen.
Noch unangenehmer war, dass zwischen ihrem Standort und Beil
hain keine Herberge mehr lag, da es keinen Platz gab, wo man eine
hätte errichten können. Der westliche Zugang zur Hauptstadt schien
noch unwegsamer als die anderen, und die steilen Hänge der so ge
nannten Hügel fielen nahezu senkrecht ab. Die Hohe Straße wand
sich wie eine steinerne Schlange daran herab, doch nicht einmal dies
erleichterte ihnen den langen, anstrengenden Abstieg. Ebenen, auf
denen Menschen hätten leben können, gab es hier schon gar nicht.
Aus den Landkarten wurde ersichtlich, dass die meisten Siedlun
gen und Dörfer in der Nähe der Hauptstadt östlich und südöstlich
von Beilhain lagen, wo der Kormak aus dem Gebirge in den Grünen
Fluss strömte. Bahzell hätte denselben Ort für eine Stadt gewählt,
wenn er die Wahl zwischen diesen kargen Hügelflanken und einem
geschützten Flusstal gehabt hätte. Er begriff sehr gut, warum vor
achthundert Jahren die Ratgeber Kormaks III. ihren Kaiser über
zeugt hatten, seine neue Hauptstadt hier anzusiedeln. Das Tal von
Kormak war die einzige echte Bresche in der natürlichen Festung,
die die Hügel bildeten. Winzige Streitkräfte konnten selbst die
stärkste Invasionsarmee auf jedem der Zugangswege zur Haupt
stadt aufhalten, und Kormaks Dynastie war ein Zwergenvolk gewe
sen, das diesen bergigen Landstrich vermutlich tröstend heimelig
gefunden hatte.
Auf Bahzell dagegen wirkte er alles andere als heimelig. Er hatte
an sich nichts gegen Berge, aber diese öden,
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