Weber David - Schwerter des Zorns - 2
schneebedeckten Hügel
schienen ihn förmlich zu bedrängen. Sie flößten ihm das Gefühl ein,
gleichzeitig ungeschützt und gefangen zu sein, selbst wenn kein
Schneesturm um ihn herum toste. Seine Reisegefährten wirkten
ebenso elend, wie er sich fühlte, aber keiner von ihnen beschwerte
sich darüber, dass seine gestrige Entscheidung weiterzureisen, ihnen
jetzt keine Wahl ließ, als weiterzumarschieren. Was, da Brandark
ebenfalls mit von der Partie war, offenbar hieß, dass sie einfach nicht
gründlich genug nachgedacht hatten. Noch nicht. Einen Augenblick
gab sich Bahzell der Hoffnung hin, dass es dabei bleiben möge, wi
ckelte den dicken Sothôii-Poncho fester um sich und stapfte weiter
durch den Wind und den Schnee.
Wenigstens meckerte keiner seiner Gefährten darüber, welches
Tempo ein Mann zu Fuß vorgeben konnte. Den Rittern und Laien
brüdern war jedoch bei der Vorstellung nach wie vor unwohl, dass
ihr Anführer zu Fuß ging, während sie ritten. Natürlich wussten sie,
dass Pferde einfach nicht groß genug für einen Hünen von zwei Me
ter dreißig waren, und sie kamen sich bestimmt ein bisschen vor wie
Kinder, die auf ihren Ponys neben einem Erwachsenen zu Fuß hop
pelten. Dennoch erschien es ihnen seltsam … Was vermutlich daran
lag, dass ihnen Hradani im Allgemeinen und Pferdediebe im Beson
deren einfach fremd waren. Es wäre ihnen nie der Gedanke gekom
men, dass sie ihn aufhielten, denn sie wussten nicht, dass er ein
Tempo vorlegen konnte, bei dem ihre Pferde nach einer Weile er
schöpft zusammenbrechen würden. Brandark wusste dies natürlich,
aber für die Blutklinge war das so selbstverständlich, dass er nie
mals auf die Idee gekommen wäre, es zu erwähnen. Bahzell nutzte
diesen Vorteil der Unwissenheit der anderen schamlos aus, um das
Tempo noch weiter zu verschärfen. Sie waren vor dreizehn Meilen
an dem letzten Meilenstein vorbeigekommen. Er hatte ihnen ange
zeigt, dass sie nur noch dreißig Meilen von Beilhain entfernt waren.
Bahzell wollte, dass sie alle ein sicheres Dach über dem Kopf hatten,
bevor der Sturm seine ganze Wucht entfaltete.
Er erklomm die nächste Anhöhe und kehrte dem Wind für kurze
Zeit den Rücken, um sich umzusehen. Der Schnee überzog das Stra
ßenpflaster mit einer schlüpfrigen, weißen Decke. Die Rentiere schi
en das nicht weiter zu beeinträchtigen, doch die Kutscher wirkten
etwas besorgt, und die Reiter hatten ihre Pferde auf die Grasnabe
geführt, die ihren beschlagenen Hufen besseren Halt bot. Wenigs
tens lag unter dem Schnee kein Eis, sagte sich Bahzell philosophisch,
während er sich wieder umdrehte und in den Wind schaute. Jeden
falls noch nicht.
Nach allem, was er über Beilhain gehört hatte, sollten die
Wachtürme ihrer Befestigungen auf den Hügelkämmen mittlerweile
zu sehen sein. Doch in dem dichten Schneetreiben war die Sicht mi
serabel und Bahzell zuckte mit den Schultern. Sie würden die Stadt
erreichen, wenn sie ankamen, und bis dahin hatte er dringlichere
Sorgen. Er schlug die Hände in den Fäustlingen zusammen, ein ver
geblicher Versuch, die eisigen Finger aufzuwärmen – und ging wei
ter.
Am späten Nachmittag zeigte der Schneesturm seine Muskeln. Der
Tag hatte sich in einen heulenden Orkan verwandelt, und Bahzells
Trupp kam noch langsamer voran. Auf der steilen Straße fühlte sich
jede Meile an wie zwei, auch ohne den Schneesturm. Unter seiner
Wucht aber dehnten sich die dreizehn Meilen bis nach Beilhain, die
Bahzell in zwei, höchstens drei Stunden hatte absolvieren wollen,
bis jeder Rest des schwachen Tageslichts aufgezehrt war. Er spielte
mit dem Gedanken, dort, wo sie waren, ein Lager aufzuschlagen.
Allerdings schien diese Aussicht wenig angenehm. Die Straße
schlängelte sich durch eine Reihe schmaler Schluchten, die so gut
wie keinen Schutz vor dem Sturm boten. Sie konnten die Wagen
zwar quer gegen den Wind stellen, und ihre Filzzelte und die gefüt
terten Schlafsäcke würden gewiss verhindern, dass sie erfroren.
Trotzdem würde sie das alles nicht warm halten, und der Sturm war
nicht einmal das größte Problem für Bahzell. Es war schon den gan
zen Tag über eiskalt gewesen, doch jetzt fielen die Temperaturen ge
fährlich weit unter den Gefrierpunkt, und ohne Schutz würden sie
in solch einer Nacht möglicherweise mehr als die Hälfte ihrer Pferde
verlieren.
Er verwünschte sich erneut, schlug die Hände in den Handschu
hen aneinander und spähte vergeblich in das Schneetreiben hinaus.
Keiner seiner Gefährten wusste genau, wo
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