Weber David - Schwerter des Zorns - 2
neuer
Paladin dem Kapitelmeister bot, um sich unbemerkt zu verdrücken.
»So groß wir auch sein mögen«, fuhr Maehryk fort, »es halten sich
doch jeweils nur die Hälfte unserer Gefährten im Ordenshaus auf.
Ihr werdet, wenn Ihr weiter ins Landesinnere von Landfressa reitet,
gewiss feststellen, dass es nur wenige Siedlungen und Dörfer bis zu
den Bergen gibt. Die Erde ist zwar fruchtbar, aber die Wachstums
periode ist kurz, und der größte Teil unserer Landbevölkerung ver
dient sein Brot als Schäfer oder Viehzüchter. Vermutlich verlässt
mehr als die Hälfte der Dorfbewohner von Landfressa ihr Heim im
Winter, wenn das Vieh und die Schafe nach Süden ziehen. Das stellt
uns vor zwei Probleme.«
Er hielt inne und hob die Braue wie ein Oberlehrer, der wissen
wollte, ob sein Schüler die Antwort kannte. Bahzell tat ihm den Ge
fallen, schnaubte dabei jedoch verächtlich.
»In der Wildnis fühlen sich Briganten wohl. Zumindest bietet sie
ihnen ausgezeichnete Verstecke«, knurrte er. »Und ohne Stadtwa
chen oder Garnisonen, die sie ausräuchern, obliegt diese Aufgabe
der Armee … oder jemand anderem.«
»Genau«, meinte Maehryk sichtlich erfreut. »Das trifft vor allem
auf diese Gegend hier zu. Sobald die Hohe Straße zwischen Esfresia
und Dolmach wegen des Wintereinbruchs unpassierbar wird, müs
sen alle Waren aus Zwergenheim über die südlichere Route durch
Lordenfel und Beilhain nach Belhadan geliefert werden. Im Ver
gleich zu dem Frachtverkehr im Sommer ist das zwar nicht viel,
aber die Beute scheint dennoch lohnend genug, um Banditen anzu
locken. Also helfen wir, die Straßen zu sichern. Und dieses Jahr«, er
runzelte die Stirn und strich sich über seinen kurzen, grauen Bart,
»haben wir mehr zu tun als gewöhnlich. In dem Abschnitt auf der
anderen Seite der Grenze zu Landfressa ist es besonders schlimm.
Ihr solltet gut Acht geben, wenn Ihr dort hindurchreitet, Milord Pa
ladin.«
»Wir werden Euren Rat beherzigen.« Bahzell schaffte es, nicht all
zu kurz angebunden zu antworten, aber es fiel ihm schwer, und er
hatte ein schlechtes Gewissen deswegen. Maehryk war ein gewis
senhafter Mann, sonst wäre er nicht auf diesen Posten berufen wor
den und hätte ihn schon gar nicht acht Jahre lang innegehabt. Doch
der Kapitelmeister wirkte beinahe besessen formell und ungefähr so
spritzig wie ein Stück Pökelfleisch. Bahzell konnte sich einfach nicht
so für ihn erwärmen, wie ihm das bei Herrn Charrow und Herrn
Terrian gelungen war.
Er wollte noch etwas sagen, aber das Läuten einer Glocke unter
brach ihn. Darum stand er etwas hastiger auf, als es die Höflichkeit
verlangt hätte, und unterdrückte sein Gefühl der Dankbarkeit für
die Unterbrechung. Er schämte sich fast für seine Erleichterung,
dass sie nur eine Nacht in Lordenfel verbringen würden. Er nahm
sich vor, während des Abendessens besonders freundlich zu sein –
und folgte Maehryk in den Speisesaal.
Herr Lynoth wartete am nächsten Morgen bereits am Tor, um sie zu
verabschieden. Bahzell und sein Freunde waren früh aufgestanden,
weil sie die kurzen Wintertage so gut wie möglich nutzen wollten,
doch Lynoth und der Rest der Ritter im Ordenshaus waren offenbar
schon erheblich länger wach. Was sie geweckt hatte, schien auch
Herrn Maehryk aufgeschreckt zu haben, und es drückten sich auf
fällig viele uniformierte Stadtwachen im Ordenshaus herum. Man
konnte den peniblen und förmlichen Kapitelmeister zwar nicht der
Unhöflichkeit bezichtigen, aber er war sichtlich abgelenkt und be
handelte den Leutnant der Stadtwache, der ihm so dicht auf dem
Fuß folgte, als wäre er an seiner linken Schulter angewachsen, beina
he barsch. Und er tauchte erst auf, als die Reisenden gefrühstückt
hatten, und selbst während seiner formellen Verabschiedung war er
mit seinen Gedanken sichtlich woanders.
Was auch immer Maehryk aufgeregt hatte, schien auf die Angehö
rigen des Ordenskapitels eine gänzlich andere Wirkung zu haben.
Die jüngeren Ritterprobanden und Rittergefährten hatten sichtlich
Schwierigkeiten, ernst zu bleiben. Lynoth gar sah aus wie jemand,
der eine Hummel verschluckt hatte. Kaeritha warf ihm einen
schwesterlich-tadelnden Blick zu, aber trotzdem überkamen den
jungen Mann dreimal verdächtige Hustenanfälle, die unschwer als
getarntes Lachen zu erkennen waren, während sich Maehryk von
seinen Gästen verabschiedete.
»… möge Tomanâks Schild Euch schützen, bis er Euch wieder zu
uns zurückführt«, beendete der Ritterhauptmann seine formelle
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