Weber David - Schwerter des Zorns - 2
ich noch nicht so genau«, gab Bahzell zu, kratzte sich
das Kinn und warf einen Blick in den Himmel. »Wir könnten ein
fach auf sie losspringen und ›Phrobus!‹ rufen oder so etwas. Zwei
fellos würde das die Leute, die wir erschrecken, eine Weile auf Trab
bringen. Eigentlich würde ich jedoch gern eine nachhaltigere Wir
kung erzielen, und zwar auf alle Stadtwachen.«
»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Bahzell«, riet ihm Kaeritha
liebenswürdig. »Ich habe eine ausgezeichnete Idee, wie wir dein Ziel
erreichen können. Folge einfach meinem Beispiel.«
»Glaubt ja nicht, dass Ihr beide Euch ganz allein amüsieren
könnt«, flocht Brandark grinsend ein.
»Ich unterbreche Euch nur ungern beim Ränkeschmieden«, ertönte
plötzlich Wencits Stimme. Er trieb sein Ross neben Bahzell. »Aber
ich glaube, dieser Edelmann sucht nach dir.« Er streckte die Hand
aus und Bahzell folgte der angegebenen Richtung. Ein junger Mann
in den Farben des Ordens marschierte auf sie zu. Kaerithas Augen
leuchteten, als sie ihn sah.
»Das ist Lynoth!« sagte sie. »Seidan hat mir geschrieben, dass er
hierher versetzt wurde. Er dient als Knappe von Sir Maehryk«, fuhr
sie fort, hielt jedoch inne, als sie das weiße Schwertgehänge des Jun
gen bemerkte. »Ich muss mich verbessern. Dieses dort ist Herr Ly
noth, ein neuer Ritterproband des Ordenskapitels von Lordenfel.«
Der Jüngling erreichte sie einige Sekunden später. Kaeritha lächel
te ihn strahlend an. Sie beugte sich aus dem Sattel und tauschte den
Kriegergruß mit ihm aus, wie unter Gleichgestellten.
»Sieh an, Quälgeist! Sie haben also endlich nachgegeben und dich
zum Ritter geschlagen, hm?«
»Niemand hat ›nachgegeben‹«, erwiderte Lynoth mit übertriebe
ner Würde. »Es wurde einfach nur Zeit, die Qualität des Ordens zu
verbessern. Laut der höchsten Autorität haben sie ganz Norfressa
nach dem Knappen mit der größten Auszeichnung gesucht!«
»Da müssen sie ja sehr enttäuscht sein, dass sie sich stattdessen mit
dir zufrieden geben mussten!« konterte Kaeritha, stieg ab und um
armte ihn. Dann drehte sie sich zu Bahzell herum, einen Arm noch
um die Schultern des Jünglings gelegt. »Ich möchte Euch einen wei
teren Streuner von Seldan und Marja vorstellen«, sagte sie. »Bahzell,
das hier ist Herr Lynoth Seldansohn. Lynoth, das ist Bahzell Bahn
akson, Paladin des Tomanâk.«
»Es ist mir eine Ehre, Euch im Namen des Kapitels von Lordenfel
zu
begrüßen,
Milord
Paladin«,
sagte
Lynoth
feierlich.
»Herr
Maehryk hat mich zu Euch geschickt, weil er wusste, dass Kerry bei
Euch ist.«
»Hat er das, hm?« Bahzell musterte den Jüngling nachdenklich
und war mit dem, was er sah, zufrieden. Lynoth war mit seinen
einsfünfundsiebzig selbst für einen Menschen nicht sehr groß, doch
er besaß die kraftvolle Figur eines Ringers. Er war höchstens ein Jahr
älter als Vaijon, und Bahzell mochte sein offenes, ansteckendes Lä
cheln. »Wohlan denn, Herr Lynoth«, fuhr er nach einem Moment
fort. »Dann führt uns nach Hause, wenn es Euch beliebt.«
Lordenfel war kleiner als Belhadan und im Vergleich zu Beilhain
fast dörflich. Es war sogar nur wenig größer als Esgfalas, die Haupt
stadt des Herzogtums von Esgan. Als Bahzell Esgfalas das erste Mal
gesehen hatte, hielt er sie für eine große Stadt, aber seitdem hatte er
viel dazugelernt. In seinen erfahreneren Augen wirkte Lordenfel
jetzt eher wie ein verschlafenes Provinznest, trotz seiner Wälle und
Bastionen. Der Winter trug vermutlich zu dieser Schläfrigkeit bei,
aber auch sonst hätte die Energie seiner Menschen und des Handels
der von Belhadan nicht das Wasser reichen können. Dennoch war
das Ordenskapitel von Lordenfel beinahe zweimal so groß wie das
von Belhadan. Das kam Bahzell merkwürdig vor, aber Herr
Maehryk lieferte ihm eine ganz einfache Erklärung dafür.
»Ja, wir sind größer als das Kapitel von Belhadan, Milord
Paladin«, bestätigte er. Der Ritterhauptmann war etwa so alt wie
Herr Charrow, doch seine bedächtige Art – Bahzell kam unwillkür
lich das Wort »tranig« in den Sinn – ließ ihn älter wirken. Zudem
neigte er dazu, andere zu belehren, und Bahzell fühlte sich etwas im
Stich gelassen, weil Kaeritha ihn Maehryks ungeteilter Aufmerk
samkeit ausgeliefert hatte. Er hätte ihr nicht verübelt, dass sie unbe
dingt mit ihrem jüngeren Bruder Neuigkeiten austauschen wollte,
hätte ihn nicht der Verdacht beschrieben, dass sie Maehryk von frü
her kannte und die Abwechslung missbraucht hatte, die ein
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