Weber David - Schwerter des Zorns - 2
gleiten. »Das entsprä
che auch durchaus der Wahrheit. Darüber hinaus jedoch hat mein
Volk weit schärfere Augen als ihr Menschen, und mein Sehvermö
gen wiederum übertrifft das der meisten Hradani bei weitem.«
»Und?«
»Such die Mitte dieses kleinen Wäldchens und gehe von dort vier
zig Meter zurück, dann siehst du vielleicht eine Lücke in dem
Schnee auf den Ästen der Bäume. Wenn du so misstrauisch wärst
wie ich, und dir so etwas auffällt, dann würdest du das vielleicht ein
wenig genauer in Augenschein nehmen und die winzige Rauchfah
ne dort aufsteigen sehen.«
»Du hast von hier aus eine Rauchsäule gesehen?« Kaerithas Ton
fall verriet, dass sie sich Mühe geben musste, ihren Unglauben zu
verbergen. Dennoch fletschte sie ihre weißen Zähne zu einem dro
henden Lächeln.
»Mädchen, mein Volk schärft seine Sinne bei Überfällen auf der
Ebene des Windes, und da gibt es keine, überhaupt keine Deckung,
erst recht nicht im Winter. Was nicht heißt, dass die Sothôii es nicht
trotzdem schaffen, sich zu verstecken, wenn sie es wollen. Ein Krie
ger oder eine Kriegsbraut der Sothôii könnte sich auf einem Karten
tisch unsichtbar machen, wenn sie es sich in den Kopf setzen. Also
muss jeder Pferdedieb, der ein hohes Alter erleben möchte, lernen,
seine Augen zu schärfen und höllisch wachsam zu bleiben, vor al
lem, wenn die Lage am ruhigsten scheint. Und da wir in den letzten
zwei Tagen an so wenig Wäldern vorübergekommen sind, habe ich
die wenigen Gehölze, die wir passiert haben, schärfer in Augen
schein genommen, als ich es sonst vielleicht getan hätte.«
»Ich glaube dir aufs Wort«, erwiderte Kaeritha und lockerte unauf
fällig ihre eigenen Schwerter in den Scheiden. Sie dachte sehnsüch
tig an ihren Langbogen, der in seinem Kasten an ihrem Sattel hing.
Es war jedoch unmöglich, danach zu greifen, ohne dass es ein Beob
achter bemerkt hätte. Außerdem war diese Waffe kaum von einem
Pferderücken aus einzusetzen. Bahzell dagegen hatte bereits unauf
fällig seine Arbalest von der Schulter gestreift. Während ihn Kaeri
tha aus den Augenwinkeln beobachtete, nahm er seinen Geißfuß
verstohlen vom Gürtel, spannte den stählernen Bogen der Waffe mit
einer Hand und lieferte ihr damit einen beiläufigen Beweis seiner
bemerkenswerten Kraft. Bahzell quittierte ihr Staunen mit einem Lä
cheln, als er einen Bolzen in den Schlitten legte.
»Bist du sicher, dass sie uns angreifen?« Kaeritha war noch etwas
verwundert, wie fraglos sie Bahzells Warnung angenommen hatte.
»Ich kann natürlich nicht wissen, was diejenigen im Schilde füh
ren, die dort oben lauern. Ich für meinen Teil würde uns ungehin
dert ziehen lassen, wäre ich an ihrer Stelle. Wir zählen hier ein
schließlich der Kutscher mehr als vierzig Schwerter, und das bei nur
zwei Pferdekarren. Zudem reisen wir nach Norden, nicht nach Sü
den, also ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Wagen leer sind. Sie
würden nur wenig Beute bei uns machen, und dafür viel Prügel ein
stecken, und gewöhnlich sind Briganten nicht bereit, ihre Haut zu
Markte zu tragen, wenn es sich nicht lohnt. Ich sage nur, dass da
oben jemand herumschleicht, und ich möchte mich nicht darauf ver
lassen, dass sie bei der Auswahl ihrer Opfer ebenso schlau sind wie
ich, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich dachte dasselbe«, murmelte Kaeritha. »Aber du erwartest,
dass sie uns angreifen, stimmt's?«
»Aye.« Bahzell zuckte mit den Ohren. »Wenn du mich fragst,
warum ich das glaube, muss ich leider passen.«
Er beobachtete, wie Vaijon Herrn Harkon erreichte, der von Herrn
Yorhus das Kommando über ihre Eskorte übernommen hatte und
an der Spitze ihres Trupps ritt. Der ältere Ritter blickte Vaijon scharf
an und versteifte sich in seinem Sattel. Es war eine unmerkliche Be
wegung, die nur jemand wahrnehmen konnte, der sehr genau hin
sah. Harkon blickte nicht einmal zu Bahzell zurück, aber er ließ die
Hand unauffällig an die Seite sinken und schob den Schoßzipfel sei
nes Ponchos von seinem Schwertgriff.
Der Pferdedieb nickte zufrieden. Das fragliche Waldstück lag be
reits innerhalb der Reichweite von Bögen, sonst hätte er gewiss an
halten lassen und Schlachtordnung eingenommen, damit die Feinde,
vorausgesetzt es handelte sich um Feinde, zu ihnen kommen muss
ten. Bedauerlicherweise konnte jedoch nicht einmal Bahzell mit sei
nen scharfen Augen das dunkle Gehölz durchdringen, und er hatte
keine Ahnung, wer genau dort auf sie wartete. Hätte er einen Hin
terhalt geplant,
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