Weber David - Schwerter des Zorns - 3
einen verwirrenden Tanz aufzuführen schienen. Eine solche aufgeregte Unsicherheit war sie nicht gewöhnt, und keine der Höflichkeitsfloskeln oder Umgangsformen,
die sie als Tochter eines Barons gelernt hatte, gaben ihr auch nur den
kleinsten Hinweis darauf, was sie als Nächstes tun sollte.
»Also, Leeana«, sagte Garlahna, bevor die verlegene Pause zu lange dauerte. »Wir sehen besser nach, in welchem Zimmer du untergebracht bist und sorgen dafür, dass du es beziehst.« Sie lächelte.
»Glaub mir, morgen werden wir keine Zeit dafür haben!«
»Das klang ganz so«, gab Leeana mit einem schwachen Lächeln
zu.
»Oh, lass dich nicht von Hundert Erlis’ Benehmen täuschen«, riet
Garlahna fröhlich. »Es wird noch viel schlimmer, als sie es dargestellt hat.«
»Na, vielen Dank!«, erwiderte Leeana, und die beiden Frauen lachten herzlich, was die Anspannung ein wenig linderte.
Leeana blieb etwas hinter Garlahna zurück, um ihre Mentorin einzuschätzen. Den breiten, etwas bäuerlichen Akzent der jungen Frau
hatte sie bereits bemerkt, obwohl Garlahnas Grammatik weit besser
war, als Leeana auf Grund dieses Akzents erwartet hätte. Garlahna
musste aus dem östlichen Teil des WestGeläufs stammen, aus der
Nähe des Speerflusses. Ihre Eltern waren wahrscheinlich irgendwelche kleinen Grundbesitzer gewesen oder Pächter eines niederen
Landjunkers ihres Vaters. Die gesellschaftliche Kluft zwischen ihnen
konnte kaum größer sein – dennoch schien sich Garlahna nicht bewusst zu sein, dass sie mit dem einzigen Kind des Lordhüters des
WestGeläufs sprach. Was, so räumte Leeana ein, auch ganz richtig
war, denn schließlich war sie nicht mehr das Kind ihrer Eltern, jedenfalls nicht vor dem Gesetz. Aber es war interessant, dass Garlahna den Unterschied zwischen der, die Leeana jetzt zu sein schien
und der, die sie einst gewesen war, so problemlos meisterte.
»Gern geschehen«, erklärte Garlahna, nachdem ihr gemeinsames
Lachen verstummt war. Dann machte sie eine wegwerfende Handbewegung.
»Mach dir keine zu großen Sorgen darüber, Leeana. Wir alle mussten das irgendwie überstehen. In gewisser Weise ist es eine Zeremonie, eine Art Mutprobe, so könnte man es auch nennen, bevor wir
echte Kriegsbräute werden.« Sie rümpfte die Nase, während sie Leeana kritisch musterte. »Ich glaube sogar, dass du dich besser hältst
als die meisten anderen. Wenigstens hast du lange Beine und bist
schnell genug, was man von mir wirklich nicht sagen kann. Und«,
sie grinste, »außerdem bist du auch nicht annährend so… brustlastig
wie ich!«
Leeana fühlte, wie ihre Ohren heiß wurden und war sehr froh,
dass ihr Haar das verdeckte. Es schwang auch nur ein winziger
Hauch von Selbstzufriedenheit in Garlahnas Stimme mit.
»Ich hoffe, ich enttäusche dich nicht«, sagte sie nach einem Herzschlag Pause. »Und ich will auch nicht das Thema wechseln, aber
eine Frage hätte ich doch.«
»Nur zu!«, forderte Garlahna sie auf.
»Was soll ich mit meinem Pferd tun?«
»Deinem Pferd?« Garlahna schien überrascht.
»Ja«, bestätigte Leeana. »Mit meinem Pferd.«
»Du hast ein Pferd?« Garlahna schüttelte den Kopf.
»Was ist daran so seltsam?« Leeana stellte die Frage ein bisschen
vorsichtig.
»Gehört es wirklich dir?« Garlahnas Gegenfrage klang noch vorsichtiger.
»Natürlich gehört er mir. Warum?«
»Ich meine, gehört er dir oder Baron Tellian?«
»Er…«, begann Leeana, hielt dann aber inne. »Er war ein Geschenk meines… von Baron Tellian«, erwiderte sie. »Zu meinem
zwölften Geburtstag.«
»Hat er dir eine Besitzurkunde gegeben?«, fragte Garlahna mitfühlender, und Leeana schüttelte den Kopf.
»Nein.« Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. »Boots
ist jetzt schon seit zwei Jahren mein Pferd. Alle wussten das. Ich
nehme an, der Baron sah keine Notwendigkeit, ihn mir formell mit
den entsprechenden Papieren schenken zu sollen.«
»Dann gehört er dir rechtlich gesehen nicht, Leeana«, sagte Garlahna sanft. Sie schüttelte den Kopf und legte Leeana mitfühlend die
Hand auf die Schulter. »So etwas geschieht häufiger«, fuhr sie fort.
»Fast immer, wenn eine Frau mit einem Pferd hier ankommt, jagt ihr
jemand hinterher, der kaum erwarten kann, ihr das Pferd wieder
wegzunehmen. Und immer stellt sich heraus, dass der Frau das Tier
rechtlich gesehen niemals gehört hat.«
Leeana starrte sie an, während sie versuchte, den Schmerz zu beherrschen, der sie plötzlich durchzuckte. Sie hatte gewusst, dass sie
ihr ganzes Leben
Weitere Kostenlose Bücher