Weber David - Schwerter des Zorns - 3
aufgeben musste, alles, was sie je besessen und gekannt hatte. Aber irgendwie war ihr nie in den Sinn gekommen,
dass auch Boots dazu gehörte. Er war ein Teil ihres Lebens, ein
Freund, nicht nur ein Pferd. Und… und…
Und er ist ein Teil von all dem, was ich zurücklassen muss, dachte
sie kläglich. Irgendwie war es ihr gelungen, das zu übersehen. Vielleicht hatte sie es aber auch gar nicht übersehen, sondern nur verdrängt. Weil sie es in ihrem tiefsten Herzen gewusst hatte, schon immer. Der Schmerz kommt nur daher, dass ich jetzt gezwungen werde, dieser Tatsache ins Auge zu sehen, dachte sie. Die Plötzlichkeit
dieser Trennung schmerzte dennoch.
»Ich…« Sie schüttelte sich. »Daran habe ich nicht gedacht«, antwortete sie mit einer Stimme, die so natürlich klang, dass sie weder
sich selbst noch Garlahna täuschen konnte. »Glaubst du, dass ich ein
paar Minuten Zeit habe, um mich von ihm zu verabschieden, bevor
sie ihn wegbringen?«
»Wir können fragen«, versprach ihr Garlahna. »Aber ich würde
nicht zu viele Hoffnungen darauf setzen. Dein Va…« Sie unterbrach
sich, sah Leeana an und lächelte entschuldigend. »Baron Tellian
wird es vermutlich eilig haben, wieder nach Hause zu kommen,
Leeana.«
Sie verstummte und sah sich um, ob jemand sie belauschen konnte, bevor sie sich zu Leeana beugte.
»Ich sollte dir das nicht erzählen«, meinte sie verschwörerisch,
»aber der Baron war fürchterlich wütend, als die Domina ihm sagte,
dass er dich wegen deines Status als Kriegsjungfer nicht sprechen
durfte. Wir sollen eigentlich nichts von dem erfahren, was zwischen
ihnen vorgefallen ist, aber eine meiner Freundinnen hatte eine Besorgung für Hundert Erlis zu machen und hielt sich gerade in Sharrals Zimmer auf, als der Baron ankam. Sie hat ihn durch die geschlossene Tür gehört.«
Sie verzog das Gesicht und verdrehte die Augen.
»So wie sie es schilderte, konnte ihn vermutlich jede im ganzen
Haus hören! Das passiert häufig, weißt du. Wenn jemand von der
Familie einer neuen Kriegsbraut auftaucht, speien sie für gewöhnlich Feuer und furzen Flammen…«Ihre Augen funkelten, als sie Leeanas empörte Miene bemerkte, »… wie Hundert Erlis immer sagt«,
beendete sie den Satz sittsam. Dann schüttelte sie den Kopf.
»Aber meistens tun sie das, weil sie so wütend sind, dass sie weggelaufen ist und eine unserer Freistädte erreicht hat, bevor sie sie erwischen konnten. Deshalb war der Baron jedoch gar nicht so aufgebracht. Er war sauer, weil ihm die Domina nicht erlaubt hat, dass ihr
beide Euch verabschiedet. Jedenfalls hat mir das meine Freundin Tarisha erzählt.«
Leeana traten die Tränen in die Augen. Garlahna drückte ihr die
Schulter.
»Jedenfalls glaube ich«, fuhr sie liebevoll fort, »dass er nicht über
Nacht bleiben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so nah bei
dir sein will, wenn ihr nicht einmal miteinander sprechen könnt.
Also wird er wohl abgereist sein, bevor du dich von deinem Pferd
verabschieden konntest.«
»Verstehe«, flüsterte Leeana und wischte sich schnell, fast ärgerlich mit der Hand über die Augen. »Verstehe«, wiederholte sie etwas kräftiger. »Und… danke, dass du es mir gesagt hast.«
»Gerne«, antwortete Garlahna. »Aber verpetz mich bloß nicht bei
Hundert Erlis!« Sie grinste breit. »Sie würde mich häuten und mein
Fell als Schuhleder verkaufen, wenn sie wüsste, dass ich einer
Kriegsjungfer so etwas verrate!«
»Das würde ich natürlich niemals zulassen«, versicherte ihr Leeana mit einem etwas kläglichen Lachen.
»Danke. Wahrscheinlich wird dich das nicht trösten, wegen deines… Boots, meine ich, aber es ist vermutlich besser so. Ich hatte
zwar nie ein eigenes Pferd, aber ich weiß, wie viel Arbeit sie kosten.
Und wie teuer das Futter ist!« Garlahna verzog das Gesicht. »Wenn
du ihn behalten kannst, musst du nämlich selbst für ihn sorgen.«
Leeana versteifte sich etwas und Garlahna schüttelte rasch den
Kopf.
»Ich meine nicht, dass du dies zu Hause nicht auch schon getan
hättest. Aber ich wette, du musstest nie selbst den Stall ausmisten,
oder?«, fragte sie listig, und Leeana schüttelte widerwillig den Kopf.
»Das musst du hier ebenfalls tun«, erklärte ihre Mentorin. »Und
glaub mir, du wirst während der nächsten Wochen nicht mal Zeit
haben, Atem zu schöpfen, geschweige denn dich um dein Pferd zu
kümmern. Selbst wenn, du hast ja sicher kein Geld dabei. Oder jedenfalls nicht genug, um für eine Stallbox und das Futter zu
zahlen.«
»Nein«,
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