Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Ein Dach, durch
das es nicht mehr als ein paar Eimer voll leckt, genügt uns für die
Nacht vollkommen.«
»Ich hoffe doch, dass wir Euch da etwas Besseres bieten können«,
versicherte sie ihm und drehte sich zu der kleinen Schar Hausmädchen um, die den Hradani eingeschüchtert beobachteten. Dessen hünenhafte Gestalt ließ die Eingangshalle des Herrenhauses schrumpfen.
»Hört auf zu gaffen wie die Gänse!«, schalt Sofalla sie. »Ratha«,
wandte sie sich an eine der älteren, gelasseneren Bediensteten, »geh
zu Gohlan und sag ihm, er soll Prinz Bahzell und seine Leute im
Südflügel unterbringen.«
Die Männer von Lord Edinghas’ Leibgarde wirkten immer noch wenig angetan von der augenblicklichen Lage, als Alfar Bahzell anderthalb Stunden später zum Stall führte. Aber wenigstens waren ihre
Blicke nicht mehr ganz so feindselig. Bahzell wusste nicht, was genau Sir Jahlahan in seinem Brief geschrieben oder wie Edinghas die
Lage seinen Leuten erklärt hatte, aber sie hatten offenbar verstanden. Das überraschte Bahzell nicht, schon gar nicht, nachdem er gesehen hatte, wie Lady Sofalla mit ihrem Gesinde umgegangen war.
Falls ihr Gatte auch nur halb so viel Autorität und Ausstrahlung besaß, würde selbst Bahzell sich hüten, ihm zu widersprechen!
Er lachte leise über diesen Gedanken, als er mit Alfar zu Edinghas
ging, der in einer offenen Stalltür stand.
»Noch einmal willkommen, Milord Paladin«, sagte der Lordhüter
und hielt ihm seine Rechte hin. Bahzell umklammerte seinen Unterarm im Kriegergruß und Edinghas lächelte etwas natürlicher.
»Ich will mich für meine erste Begrüßung nicht entschuldigen«, erklärte der Sothôii. »Ich habe jetzt Sir Schwertwebers Brief gelesen. Er
schrieb, Ihr würdet vermutlich verstehen, sollten wir zunächst ein
wenig… verstört reagieren. Das macht unser Verhalten natürlich
nicht besser, aber wenn Ihr mir das nachseht, sorge ich gern dafür,
dass es sich nicht wiederholt.«
»Ich habe Euch nichts zu verzeihen«, antwortete Bahzell gleichmütig. »Natürlich wären wir lieber mit offenen Armen und Pauken und
Trompeten empfangen worden, aber letzten Endes muss man sich
mit dem bescheiden, was machbar ist.«
Er lächelte und Edinghas’ Lippen zuckten, doch sofort wurde er
wieder ernst.
»Sir Jahlahan deutete bereits an, dass Ihr das so sehen würdet, Milord. Und es freut mich. Allerdings wäre ich noch glücklicher, wenn
ich die Hilfe eines Paladin des Tomanâk hier in den Warmen Quellen gar nicht erst benötigt hätte. Schon gar nicht aus einem solchen
Grund.«
»Das kann ich Euch nicht verdenken«, antwortete Bahzell bedächtig.
»Gut, dann sollten wir wohl anfangen.« Edinghas seufzte. »Ich
warne Euch, Milord. Ich habe keine Ahnung, was sie tun werden,
wenn sie Euch sehen. Wir wissen immer noch nicht, was ihnen dort
draußen widerfahren ist, aber was es auch war, es hat sie mehr als
nur körperlich gezeichnet.« Seine Kiefer mahlten. »Ich habe noch nie
verängstigte Windrenner gesehen, Milord, noch nie. Aber jetzt…«
Er seufzte, drehte sich um und ging voraus in den Stall.
Die Stallungen der Warmen Quellen waren weit großzügiger erbaut
als die der meisten anderen Herrenhäuser, weil sie den Windrennern der Warmen Quellen schon lange Obdach boten. Der Hauptstall stellte ein großes, luftiges Bauwerk dar, mit gewaltigen, offenen
Boxen, die makellos sauber waren. Nichts jedoch hätte Bahzell auf
den Anblick vorbereiten können, der ihn im Inneren erwartete.
Er hatte Brandark gebeten, mit den anderen Ordensrittern draußen zu warten. Es war vollkommen unnötig, den verletzten Windrennern auch noch das Auftauchen so vieler Hradani zuzumuten.
Das wusste er zwar, aber keine wie auch immer geartete Logik
konnte verhindern, dass er sich unter so vielen Menschen einsam
und verlassen fühlte, von denen ihn keiner kannte. Und die zu allem
Überfluss auch noch die Erbfeinde seines eigenen Volkes waren.
Er schob diese Gedanken entschlossen beiseite und konzentrierte
sich lieber auf die Windrenner, die er gleich sehen würde.
Trotz des Namens und des Rufs seines Volkes hatte er ein wenig
Erfahrung mit Pferden gesammelt. Er hatte sogar schon mehrmals
welche geritten, wenn auch nicht sehr gut und nur sehr kurz. Außerdem verlangte die traditionelle Feindschaft der Pferdediebe und
der Sothôii mehr oder weniger, dass sie sich mit der Kavallerie und
ihren Fähigkeiten auskannten. Allerdings würde schon wegen seiner Größe kein Pferdedieb jemals ein Kavallerist werden.
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