Weber David - Schwerter des Zorns - 3
Euch
nicht stören. Ich habe nur eine Abkürzung genommen.«
»Ihr stört nicht«, versicherte ihr Kaeritha. »Und selbst wenn, so ist
das Euer Heim, Lady Leeana, wenn ich mich nicht irre. Von daher
scheint es mir selbstverständlich, wenn Ihr von Zeit zu Zeit dort hingeht, wo es Euch gefällt.«
Sie lächelte. Leeana erwiderte ihr Lächeln.
»Damit habt Ihr wohl Recht. Andererseits habe ich, wenn ich ehrlich bin, die Abkürzung deshalb genommen, um meinem Vater
nicht unter die Augen zu treten.«
»Ach? Und wie ist es Euch gelungen, Euren Vater so wütend zu
machen, dass Ihr es für nötig befindet, seinem Zorn aus dem Weg zu
gehen?«
»Ich habe ihn gar nicht wütend gemacht… Noch nicht. Aber ich
würde gern in meine Gemächer gelangen und mich umziehen, solange es noch dabei bleibt.« Kaeritha legte den Kopf schief und sah
das Mädchen fragend an. Leeana zuckte die Achseln. »Ich liebe Vater, Dame Kaeritha, aber es ist etwas… heikel mit ihm, wenn ich
heimlich ausreite, ohne dass ein halbes Dutzend Bewaffneter hinter
mir her klappern.« Sie verzog das Gesicht. »Mutter und er bestehen
außerdem darauf, dass ich mich stets meinem Stand gemäß zu kleiden habe.« Diesmal verdrehte sie ihre jadegrünen Augen zu einer
märtyrerhaften Gebärde, und Kaeritha musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu lachen.
»Auch wenn Euch das zweifellos sehr lästig ist«, sagte sie stattdessen mit gezwungenem Ernst, »Eure Eltern haben in diesem Punkt
vermutlich Recht.« Leeana sah sie skeptisch an, und Kaeritha fuhr
beiläufig fort: »Ihr seid nun mal das einzige Kind eines der vier
mächtigsten Adligen in diesem Königreich«, erklärte sie freundlich.
»Männer wie Euer Vater haben immer Feinde. In den falschen Händen wäret Ihr eine mächtige Waffe gegen ihn, Leeana.«
»Das stimmt wohl«, gab Leeana nach einem Augenblick zu. »Aber
hier in Balthar bin ich ziemlich sicher. Das gibt selbst Vater zu, wenn
er nicht zu stur ist, nur um Recht zu behalten! Außerdem«, fuhr sie
finsterer fort, »bin ich auch jetzt schon eine Waffe gegen ihn.«
»Da seid Ihr nicht gerecht.« Kaeritha runzelte kurz die Stirn. »Und
ich bin sicher, dass er das vollkommen anders sieht.«
»Tatsächlich?« Leeana betrachtete sie einige Sekunden, und warf
dann so den Kopf zurück, dass ihr langer, dicker Zopf aus feuchtem
rotblondem Haar zuckte. »Vielleicht tut er das, aber das ändert
nichts, Dame Kaeritha. Habt Ihr eine Ahnung, wie viele Leute von
ihm erwarten, dass er einen richtigen Erben zeugt?« Sie verzog das
Gesicht. »Der ganze Rat des Königs setzt ihm deswegen zu, wenn er
daran teilnimmt!«
»Bestimmt nicht der ganze Rat«, widersprach Kaeritha. Sie spürte
die tiefe Verbitterung hinter diesen Worten, die so gar nicht Leeanas
sonst so fröhlichem Wesen entsprachen.
»Natürlich nicht«, stimmte Leeana ihr zu. »Nur die, die keine Söhne haben, die ihrer Meinung nach alt genug sind, die Erbin von Balthar und dem WestGeläuf zu heiraten. Oder die nicht glauben, dass
sie selbst noch jung genug für diese Aufgabe wären und es kaum erwarten können, mich mit ihren fettigen kleinen Pfoten zu betatschen!«, fuhr sie angewidert fort. »Der Rest des Rates jedoch benutzt
es als Vorwand gegen ihn, und sie unterhöhlen seine Machtposition
wie ein Haufen Straßenköter, die nach einem angeleinten Wolfshund schnappen.«
»Ist es wirklich so schlimm?«, wollte Kaeritha wissen. Leeana schien von ihrer Frage überrascht zu sein. »Ich bin vielleicht ein Paladin
des Tomanâk, Leeana«, erklärte Kaeritha spöttisch, »aber ich bin
auch eine Axtfrau, keine Sothôii. Bei Tomanâk!« Sie lachte. »Genau
genommen bin ich das auch nur durch Adoption. Ich wurde als
Tochter einer Bäuerin in Moretz geboren! Mir sind zwar diese Machenschaften bekannt, die im Hochadel vorgehen, aber ich selbst
habe keine eigenen Erfahrungen damit gemacht.«
Leeana schien nur schwer ertragen zu können, dass ein Ordensritter und dazu noch ein Paladin des Tomanâk, so wenig über die Dinge wusste, die ein so wichtiger Bestandteil ihres eigenen Lebens waren. Außerdem war sie überrascht, dass sich Kaeritha für ihre Meinung interessierte.
Als sie antwortete, bemühte sie sich sichtlich darum, gerecht zu
bleiben. »Es kommt mir wahrscheinlich schlimmer vor, als es tatsächlich ist, aber auch das genügt mir bereits. Ihr kennt die Erbfolgegesetze von Sothôii?«
»Jedenfalls so ungefähr«, versicherte ihr Kaeritha.
»Dann wisst Ihr auch, dass ich die Titel und die Ländereien meines
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