Weber David - Schwerter des Zorns - 3
aus einem
Bauerndorf, die Bäuerin aber nicht aus dem Mädchen herausbekommt, hm, was meint Ihr?«
»Und das hältst du für eine taktvolle, diplomatische Art, wie man
unser kleines Problem lösen kann, hm?«, erkundigte sich Bahzell leise. Er hob eine Braue und spitzte die Ohren ein wenig, als Kaeritha
dem Provokateur den Rücken zukehrte und die Stufen des Tempels
lässig zu Bahzell hinaufschlenderte. Er schüttelte den Kopf. »Ich
kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass du ein bisschen mehr
auf die Empfindlichkeiten der Einheimischem achten und diplomatischer vorgehen solltest.«
»Warum?«, fragte sie unschuldig, während die Menge hinter ihr
immer lauter lachte. »Er hat die Lektion doch überlebt, oder etwa
nicht?«
5
Es REGNETE , und diesmal war es kein leichtes Tröpfeln.
Auf der Ebene des Windes bei den Sothôii regnet es ziemlich häu
fig, dachte Kaeritha.
Sie lehnte sich mürrisch an den tiefen Rahmen des Turmfensters,
verschränkte die Arme vor der Brust und starrte über die Zinnen
von Schloss Hügelwacht auf die Regentropfen, die wie silberne
Speere vom Himmel herabzuckten. Einem Himmel, der aussah wie
nasse Holzkohle. Der Wind schubste fette schwarze Wolken herum,
die ihre Ladung Regen noch nicht abgeworfen hatten, und es war
recht kühl. Dennoch war das alles immer noch weit besser als dieser
eisige Winter, den sie gerade überstanden hatte.
Irgendwo über der Wolkendecke grollte ein Gewitter, und Kaeritha verzog das Gesicht, als eine Böe eisige Regentropfen durch das
offene Fenster peitschte. Sie trat jedoch nicht zurück. Stattdessen sog
sie den feuchten, lebendigen Duft des Regens tief ein. Trotz seiner
Kälte hatte er etwas Feines, Belebendes an sich, was ihr Blut kribbeln
ließ. Ihre mürrische Miene hellte sich auf, und sie lächelte fast, als
sie sich die Wahrheit eingestand.
Nicht der Regen machte sie so gereizt. Eigentlich mochte Kaeritha
Regen. Sie hätte sich zwar mit etwas weniger zufrieden gegeben, als
der Menge, die das WestGeläuf in den letzten Wochen abbekommen
hatte, aber der Regen war nur die eine Ursache ihrer schlechten Laune. Sie hätte schon vor zwei Wochen aufbrechen sollen, doch stattdessen ließ sie sich von dem Regen in ihren Reiseplänen aufhalten.
Allerdings gab es genügend andere Gründe für diese Verzögerung. Aus dem Stand hätte sie eine ellenlange Liste herunterrasseln
können, und jeder einzelne Grund allein hätte für diesen Aufschub
genügt. Zum Beispiel, Bahzell und Hurthang zu helfen, das Hurgrumer Kapitel sicher durch die tückischen Klippen und Untiefen der
öffentlichen Meinung der Sothôii zu steuern. Oder den einheimischen Fanantikern klar zu machen, wie sehr sie sich in ihren Vorurteilen irrten. Es waren gewiss lohnenswerte Vorhaben. Ebenso wie
ihre Unterstützung als weiterer und unanfechtbar menschlicher Paladin des Tomanâk bei Bahzells diplomatischer Mission. Bedauerlicherweise musste sie zugeben, dass ihre Bemühungen zwar nützlich, aber keineswegs unverzichtbar waren. Nein, die »Gründe«, ihren Aufbruch immer weiter hinauszuzögern, nahmen für ihren Geschmack viel zu sehr den Charakter von Ausflüchten an. Was bedeutete: sie musste sich auf den Weg machen, Regen hin oder her.
Außerdem…
Ihre Gedankengänge wurden unterbrochen, als eine rothaarige
junge Frau um die Ecke eines angrenzenden Durchgangs bog. Sie
lief fast, so eilig schien sie es zu haben. Als sie Kaerithas ansichtig
wurde, blieb sie jedoch unvermittelt stehen. Sie war jung und ziemlich groß, selbst für ein Edelfräulein der Sothôii. Trotz ihrer vierzehn
Jahre maß sie fast eins achtzig und war damit ein Stück größer als
Kaeritha, die unter den Axtmännern bereits als hoch gewachsen
galt. Das Mädchen zeigte außerdem bereits die ersten Kurven, die
andeuteten, dass sie einst eine außerordentlich attraktive Frau werden würde.
Auf ihrem Gesicht spiegelte sich eine seltsame Mischung aus Vergnügen, Schuldbewusstsein und Aufsässigkeit, und ihr Aufzug hätte eher zu einem untergeordneten Stallknecht gepasst als zu einer
aristokratischen jungen Lady. Sie trug eine Lederhose, die, wie Kaeritha spöttisch bemerkte, ein wenig zu eng zu werden drohte, gerade an den unschicklichen Stellen. Darüber eine verblichene Tunika,
die mehrfach gestopft war und außerdem etliche feuchte Flecken
aufwies. Die Reitstiefel des Mädchens waren schlammbespritzt und
sie hielt einen vollkommen durchnässten Poncho über dem Arm.
»Verzeiht mir, Dame Kaeritha«, stieß sie hervor. »Ich wollte
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