Weber David - Schwerter des Zorns - 3
einen
hingebungsvoll anschmachtet, während sie darauf wartet, dass man
all diese Probleme alleine löst. Wenn man verhindern will, dass man
sich gegenseitig bald langweilt, sollte man jemanden haben, mit
dem man richtig reden kann.« Er wagte es wieder, sie anzusehen
und lächelte. »Ich würde das natürlich nicht zugeben, wenn Brandark in der Nähe wäre, aber es ist doch nicht schlecht, wenn man jemanden findet, der auch lesen und schreiben kann.«
»Ich wünschte, mehr Sothôii würden so denken wir Ihr!«, erwiderte Leeana lachend. »Allerdings macht das für jemanden wie mich
keinen Unterschied.« Ihr Lachen erstarb schlagartig und sie ließ ihren Blick wieder über die Steppe gleiten. »Mutter und Vater mögen
zwar weit verständnisvoller sein als die meisten anderen Eltern in
ihrer Lage, aber auf Grund der Natur meines Erbes, beziehungsweise des Erbes meiner Söhne, spielen bei der Wahl meines Ehegatten
Politik und Verbindungen die entscheidende Rolle.« Sie lächelte
traurig. »Andererseits sollte ich dankbar sein. Denn ich kann mit
großer Gewissheit davon ausgehen, dass mich jemand heiraten
wird! Wenn ich nur halb so sicher sein könnte, diesen Mann auch zu
mögen, wäre mein Leben vollkommen.«
»So schlimm wird es vielleicht am Ende gar nicht werden«, erklärte Bahzell gedehnt.
Ruckartig wandte sie sich ihm zu. Ihre Augen waren plötzlich
dunkel, als fühlte sie sich verraten. Bahzell schüttelte rasch den
Kopf.
»Mädchen«, er ließ das »Milady« weg, mit dem er sie sonst sicherheitshalber anzusprechen pflegte, »glaubt nicht, ich wäre nur ein
großer, muskelbepackter Knorpelsack, der nicht im Geringsten begreift, was in Euch vorgeht. Natürlich treiben mich nicht dieselben
Sorgen um, die Euch bekümmern, und ich besitze auch nicht die
magische Fälligkeit, mich in Euren Kopf und Euer Leben zu versetzen. Aber auch wir Hradani kennen solche ›Vernunftehen‹. Sie kommen bei uns vielleicht nicht so häufig vor wie bei Eurem Volk, aber
dieses Problem stellt sich unseren Stammeshäuptlingen und Prinzen
sowie deren Familien oft genug. Entscheidend ist jedoch, dass wir
Hradani gelernt haben, dass eine unglückliche Ehe, die aus Gründen
der Staatsraison erzwungen wurde, ihre eigenen Gefahren birgt. Ich
will nicht lange darum herum reden. Am Ende beißen sich meistens
die Leute in den Arsch, o verzeiht, ich meine natürlich: ins Hinterteil, die dumm genug waren, sie einzurichten.
Natürlich herrscht nicht in jeder Vernunftehe der Haradni nur eitel
Freude und Sonnenschein, bei Tomanâk. Andererseits kann man das
letztlich von allen Ehen behaupten. Eure Eltern sind jedoch zu klug
und lieben Euch zu sehr, um zuzulassen, dass Euch jemand zu einer
Ehe zwingt, die Ihr nicht wollt.«
»Ich weiß, dass sie dies zumindest versuchen«, gab Leeana nach
einem Augenblick des Nachdenkens zu. »Aber in Wahrheit, Prinz
Bahzell, wir Sothôii und Ihr Hradani sehen einige Dinge doch vollkommen anders. Was Vater und Mutter auch denken mögen, der
Rest des Hochadels, vor allem die Mitglieder des Kronrates, betrachtet seine Erben und Töchter als Verhandlungsmasse.« Sie schüttelte
traurig den Kopf. »Auf Vater lastet schon jetzt ein großer Druck,
eine Werbung um meine Hand anzunehmen, und dieser Druck
wächst ständig. Gewisse Ratsherren mögen auch noch andere Gründe haben, ihm zuzusetzen, aber am Ende drängen ihn alle. Früher
oder später wird er ihnen nachgeben müssen.«
Bahzell dachte lange nach. »Ihr habt Recht«, sagte er schließlich.
»Unser Volk verhält sich da anders. Nicht zuletzt wegen der
Blutrunst, würde ich sagen.«
»Die Blutrunst? Was hat die nun wieder mit Vernunftehen zu
tun?«
»Ist das nicht klar genug?« Bahzell lächelte düster. »Denkt nach,
Mädchen. Ihr wisst, was die Blutrunst ist und was sie mein Volk
über die Jahrhunderte gekostet hat.« Leeana nickte. »Und?«, fuhr
Bahzell gelassen fort, »wen von uns packt die Blutrunst niemals?«
»Eure Frauen«, antwortete Leeana leise.
»Richtig. Das ist der Grund, warum sich bei uns Hradani die Mädchen ihre Freunde selbst aussuchen und die Bräute sich ihre Gatten
erwählen. Sie müssen schon genug ertragen, weil sie unter Männern
leben, die von der Blutrunst besessen sind. Ehrlich gesagt, nur unsere Frauen haben für das bisschen festen Boden gesorgt, an das wir
Hradani uns nach dem Fall von Kontovar klammern konnten. Im
Gegensatz zu anderen Völkern konnten wir niemals die Augen davor verschließen, wie bedeutsam diese Grundlage für uns
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