Weber David - Schwerter des Zorns - 3
sagte ihr, dass es auch längst nicht die ganze
Wahrheit war. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, weiter in Leeana
zu drängen, überlegte es sich dann jedoch anders.
»Und wie sollten sich all diese Probleme lösen, wenn Ihr einfach
nur weglauft?«, fragte sie.
»Ich dachte, das wäre offensichtlich, Dame Kaeritha.« Leeana
klang aufrichtig überrascht.
»Tut mir den Gefallen und erklärt es mir«, erwiderte Kaeritha sarkastisch. »Sicher, ich kann mir Euren Plan grundsätzlich vorstellen.
Ich werde mir nicht damit schmeicheln, dass Ihr mir nur gefolgt
seid, um euch unter meinen Schutz zu stellen, obwohl ich ein Paladin des Tomanâk bin. Also beabsichtigt Ihr vermutlich, nach Kalatha zu reiten, den Kopf voller zerstreuter, romantischer Schulmädchenphantasien, dort den Kriegsbräuten beizutreten, um so Eurem
unwillkommenen Freier ein Schnippchen zu schlagen. Trifft es das
in etwa?«
»Ja, Milady«, gab Leeana einen Hauch zu unterwürfig zu.
»Habt Ihr denn auch bedacht, was Ihr damit alles aufgebt?«, entgegnete Kaeritha. »Ich war eine Bäuerin, Lady Leeana. Ich bezweifle
sehr, dass Euer Schicksal bei den Kriegsbräuten ebenso hart sein
dürfte wie es das meine in Moretz gewesen ist, aber es wird dennoch vollkommen anders sein als alles, was Ihr bisher erlebt habt.
Und es gibt keinen Weg zurück. Eure Herkunft und Eure Familie
können Euch nicht länger beschützen. Im Gegenteil, was das betrifft,
seid Ihr für Eure Familie so gut wie gestorben.«
»Das weiß ich.« Leeana starrte wieder ins Feuer. »Ich weiß«, wiederholte sie leise und sah Kaeritha an. »Ich weiß es!«, bekräftigte sie
ein drittes Mal, und ihre grünen Augen schwammen in Tränen.
»Aber ich weiß auch, dass Mutter und Vater mich immer lieben werden, ob ich nun vor dem Gesetz noch ihre Tochter bin oder nicht.
Daran wird nichts etwas ändern können. Wenn ich zu den Kriegsbräuten gehe, nehme ich meinem Vater die Entscheidung aus der
Hand. Niemand kann ihm vorwerfen, dass er Schwarzenberges Ansinnen ablehnt, wenn ich gar nicht mehr seine Tochter bin. Und…«,
sie lächelte etwas gezwungen, »die Ungeheuerlichkeit dessen, was
ich da tue, sollte mich auch in einem Ausmaß entehren, dass nicht
einmal ein so ehrgeiziger Mann wie Rulth vom Schwarzenberge
auch nur in Erwägung zieht, mir eine Heirat anzudienen.«
»Aber Ihr seid noch nicht einmal fünfzehn Jahre alt«, gab Kaeritha
zu bedenken. Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ihr seid noch viel zu
jung, um solch eine folgenschwere Entscheidung zu treffen, Mädchen. Ich kenne Euren Vater natürlich nicht so lange wie Ihr, aber
ich weiß doch, dass er mir in diesem Punkt zustimmen würde. Ihr
wollt das vielleicht für ihn tun, aber glaubt Ihr wirklich, dass er dies
ebenfalls will?«
»Ganz sicher will er das nicht«, gab Leeana zu. Sie richtete sich mit
einer Art von einsamem Stolz auf. »Er wird es verstehen, aber das ist
nicht dasselbe. Zudem bin ich mir ziemlich sicher, dass er und seine
Leibwächter mir in diesem Augenblick folgen. Wenn er mich einholt, wird er keine andere Möglichkeit sehen, als mich wieder nach
Hause zu holen, ob ich das will oder nicht. Und zwar, weil er mich
liebt und weil er, wie Ihr, einwenden wird, dass ich für eine solche
folgenschwere Entscheidung zu jung wäre.
Aber ich bin nicht zu jung dafür, jedenfalls nicht nach der Charta
der Kriegsbräute. Ich habe das verbriefte Recht, diese Entscheidung
selbst zu treffen, vorausgesetzt, ich erreiche eine ihrer Freistädte, bevor Vater mich einholt. Sobald ich diese Entscheidung getroffen
habe, kann er mich nicht mehr zwingen, nach Hause zu kommen,
ganz gleich, wie sehr er mich liebt oder ich ihn. Und wenn er das
nicht vermag, können mich Schwarzenberge und Cassan auch nicht
mehr gegen ihn ausspielen.«
Jetzt endlich konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Kaeritha holte tief Luft. Nach einer Weile ließ sie ihren Atem langsam
entweichen.
»In diesem Fall sollten wir uns wohl besser schlafen legen«, erklärte die Amazone. »Wir werden beide Ruhe benötigen, und wir müssen früh aufbrechen, wenn wir verhindern wollen, dass er uns einholt.«
Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen, als sie am Morgen ihr Lager abbrachen. Das ist doch etwas, sagte sich Kaeritha, als sie sich locker in Wölkchens Sattel schwang und das eisenbewehrte Ende ihres Langstocks in den Köcher am Steigbügel pflanzte, in den ein traditioneller Ritter seine Lanze steckte. Es ist sogar sehr angenehm,
dachte sie, als sie die kühle, klare
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