Wechsel-Wind
die Tiere munter wurden. Sie wußten, daß die furchtbare Gefahr für Xanth abgewendet worden war und ihr Leben bald weitergehen würde wie gewohnt.
In nicht allzu ferner Zukunft würde sich das Wohnmobil in Richtung Norden aufmachen, um näher am Schauplatz des Geschehens zu sein. Da der Sturm nachgelassen hatte, benötigten sie weder Keairas Schönwettergebiet und auch nicht die Hilfe der geflügelten Zentaurinnen. Adam sah eine Wolke an und wurde genauso dünn wie sie. Ohne den schweren Ballast, den er mit Hilfe der Felseigenschaften dargestellt hatte, stieg das Wohnmobil sanft in die Luft. Die Dämonin Mentia verwandelte sich in eine Riesenhand und schob das Fahrzeug nach Norden. Tweeter verließ den Wagen zu einem kleinen Rundflug und beobachtete. Das klobige Gefährt, das wie ein gewaltiger Brotlaib in der Luft schwebte und von einer übergroßen (krallenbewehrten) Hand umklammert wurde, bot schon einen höchst merkwürdigen Anblick. Noch eigenartiger wurde es, als Karen ausstieg, um sich zu ihm zu gesellen; sie besaß zwar keine Flügel, aber durch Modems magische Veränderung der Realität war sie leicht wie eine Feder und trieb deshalb im Wind. Sie hing an einer Rettungsleine, so daß sie nicht davongeweht werden; auf zumindest dieser Sicherheitsmaßnahme hatte ihre vorsichtige und vernünftige Mutter bestanden. Zum ersten und wohl auch zum letzten Mal flogen Tweeter und sein Schoßkind in dieser Weise zusammen.
Gegen Mittag näherten sie sich Schloß Roogna. Sie kehrten in das Wohnmobil zurück, um präsentabel vor die königliche Familie treten zu können. Tweeter hockte sich auf seine Stange und putzte sorgfältig sein Gefieder. Das Abenteuer ging dem Ende entgegen.
Plötzlich wurde Nimby, der verwandelte Drache, nervös. »Was ist denn los?« fragte Chlorine. Nachdem Sean nun nicht mehr daran interessiert war, einen Blick auf ihre Beine zu stehlen, hatte sie Nimby wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Was die Menschen an menschlichen Beinen nur fanden – das ging über Tweeters Horizont; mit solch fetten, fleischigen Dingern konnte man sich nicht einmal richtig an einem Ast festhalten, und die Krallen waren in geradezu lächerlicher Weise kurz. Doch was die Ästhetik betraf, so war der Rest der federlosen menschlichen Körper auch nicht besser; deshalb bedeckten sie sie ja auch die meiste Zeit. Anscheinend war es dieser Gattung dennoch gelungen, mit dem Handicap ihres Körperbaus fertig zu werden.
Nimby beschrieb einmal wieder seinen Block. Chlorine las, was er geschrieben hatte, und sah erschrocken auf. »Sofort landen? Aber wir sind doch schon bald in Schloß Roogna. Unter uns ist nichts als Urwald.«
Dad wurde aufmerksam. »Wenn Nimby es sagt, sollten wir es besser tun. – Adam, kannst du langsam das Gewicht eines Steines annehmen?«
Dazu war Adam in der Lage; er hatte so lange die Eigenschaft eines Felsblocks nachgeahmt, daß er sich noch immer daran erinnern konnte. Das Wohnmobil verlor an Auftrieb und sank allmählich dem Boden entgegen.
Mentia durchdrang die Außenhülle des Fahrzeugs. »He, was ist denn los?« fragte sie. »Wir sinken ja!«
»Wir müssen augenblicklich landen«, antwortete Chlorine. »Sagt Nimby.«
»Obwohl die Sicherheit von Schloß Roogna schon so nah ist? Hast du ihn gefragt, wieso?«
Chlorine wandte sich an Nimby. »Wieso?«
Er reichte ihr eine weitere Botschaft. Sie las sie laut vor. »›Weil das Wahrscheinlichkeitsgesetz auf Antrag durch Mehrheitsbeschluß überstimmt worden ist.‹«
Keiner der Menschen konnte es fassen. Über Chlorines Kopf erschien ein großes Fragezeichen. »Was für ein Gesetz?«
»Aber das kann man doch nicht überstimmen!« rief Dad. »Das ist ein Naturgesetz!«
»Du vergißt, wo du dich befindest«, entgegnete Mom grimmig.
»Wer hat das beantragt?« fragte Chlorine. »Und wer hat es überstimmt?«
Als Übeltäter erwies sich das mißgünstige Computerprogramm Animator. Ihm hatte es weder gefallen, die Kontrolle über Woofer und Tweeter zu verlieren, noch durch das Kehrholz schachmatt gesetzt zu werden, und dazu kam, daß ihm auch noch die Windjacke abgenommen worden war. Nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit mußte er zwar hier gewinnen und dort verlieren, aber er verlor eben nicht gern, und so hatte er sich an die Musen des Parnaß gewandt und angeführt, daß kein normales Wesen alle zwanzig Fragen richtig hätte beantworten können. Daher müsse etwas Ungewöhnliches im Spiel sein, was die Realität durcheinanderbringe. Und er
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