Wechselspiel der Liebe
Er frühstückte mit Robert, spürte den stummen Vorwurf seines Freundes.
Während Robert nach Hause ritt, verdrängte Jarrett den Aufruhr seiner Gefühle und floh in den Stall. Er rief Peter zu, er brauche keine Hilfe, und legte seinem Rotschimmel Charlemagne eigenhändig das Zaumzeug an. Dann stieg er auf den ungesattelten Rücken des lebhaften Pferdes, reagierte auf jede Bewegung des Tieres, so wie er es von seinem Vater gelernt hatte.
Schnell wie der Wind sprengte er die Zufahrt hinab, in der Hoffnung, der Galopp würde die Spinnweben aus seinem Kopf verscheuchen, den Kummer aus seiner Seele. Hinter den Feldern erreichte er einen fast jungfräulichen Teil seiner Ländereien, den nur schmale Reitwege durchkreuzten. Hellgrünes Moos hing an den Ästen stattlicher Eichen, die zwischen gewundenen Bächen wuchsen.
Jarrett gönnte seiner Umgebung kaum einen Blick, als er sein Ziel ansteuerte, einen Pinienhain, wo wilde Orchideen wucherten und ein weicher Nadelteppich den Boden bedeckte. Nur ein leise plätschernder Bach begleitete die Stille. Dies war Jarretts Lieblingsplätzchen, seit er das Land besaß. Es grenzte an das Territorium, das man den Seminolen im Vertrag von 1821 zugestanden hatte.
Auch Charlemagne schien zu wissen, wohin der rasante Ritt führte. Inmitten der Pinien drosselte er aus eigenem Antrieb sein Tempo, am Ufer des Bachs blieb er stehen. Jarrett schwang sich vom Pferd, kniete nieder, kühlte sein Gesicht mit dem klaren Wasser und trank in durstigen Zügen. Dann beobachtete er, wie die Wellen sein Spiegelbild verzerrten. Er schloß die Augen, als könnte er dadurch seinen Problemen entrinnen, und das war ein Fehler.
Zu spät spürte er den Luftzug in seinem Rücken. Starke Hände packten ihn an den Schultern, und er fiel mitsamt seinem Angreifer ins eiskalte Wasser. Wütend sprang er ans Ufer und fuhr herum, um festzustellen, wer ihn in so demütigender Weise überrumpelt hatte.
Der Mann war bereits auf den Beinen, die Knie leicht gebeugt. Glattes schwarzes Haar, das auf die Schultern hing, und das bronzebraune Gesicht verrieten seine indianische Herkunft. Doch die hohen Stiefel, die dunkelblaue Hose und das bunte Hemd mit den bauschigen Ärmeln wirkten europäisch. Um die Stirn hatte er ein rotes Tuch geschlungen, in dem zwei Federn steckten, direkt am Hinterkopf. Eine Lederscheide am Schienbein enthielt ein langes Bowie-Messer, eine gefährliche Waffe. Allzu jung war er nicht mehr, aber in der Blüte seiner Kriegerjahre, fast so groß wie Jarrett, muskulös und sehnig. Sein markantes Gesicht mit den breiten Wangenknochen wurde von verwirrenden blauen Augen beherrscht.
Nur zu gut kannte Jarrett diese Augen, die dem Seminolen Laufender Bär gehörten.
Plötzlich lächelte der Krieger, warf sich auf Jarrett, der hart am Boden aufprallte. Doch er erhob sich sofort wieder. Mit aller Kraft rammte ihm der Indianer eine Schulter in den Bauch. Beide stürzten und begannen verbissen zu ringen. Nach einer Weile befreite sich der Seminole aus Jarretts Griff, stand auf und entfernte sich um fünf Schritte.
Immer noch lächelnd, musterte er seinen Gegner. »Verdammt, und ich dachte, diesmal könnte ich dich endlich besiegen«, keuchte er in Englisch, mit leichtem Südstaatenakzent.
Jarrett holte tief Luft. »Beinahe, hättest du's geschafft, kleiner Bruder«, erwiderte er, und sie umarmten sich grinsend. »Freut mich, dich wiederzusehen.«
»Und ich bin froh, daß du daheim bist«, seufzte der Indianer. »Was für schwere Zeiten . . . Wer hätte das gedacht?«
Die Indianer nannten Jarretts Halbbruder >Laufender Bär<. Getauft war er auf den Namen James McKenzie, der ihn mit Stolz erfüllte, denn er hatte seinen Vater geliebt und das auch nie geleugnet.
»So mußte es kommen«, entgegnete Jarrett. »Wir waren blind, du und ich. Weil wir's nicht sehen wollten. Kanntest du Osceolas Pläne, als wir uns das letzte Mal trafen?«
James schüttelte den Kopf. »Wer behauptet, er würde einfach nur allen Weißen grollen, irrt sich. Mich weiht er nicht ein, denn in meinen Adern fließt weißes Blut. Gutes weißes Blut, nach seiner Meinung. Und er weiß, wie nahe ich dir stehe.«
»Auch er ist ein Mischling. Du hast von dem Massaker gehört, nicht wahr?«
»O ja«, bestätigte James unglücklich. »Aber bedenke, wie schrecklich Wiley Thompson die Indianer behandelt hat ...«
»Major Dade nicht.«
»Nun, er war ein Offizier, und wie du weißt, ist das weiße Militär durchaus fähig, indianische Krieger
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