Wechselspiel der Liebe
immer weiter nach Westen vordrangen, fanden es seltsam, daß Jarrett die kohlschwarzen Augen seiner kreolischen Mutter geerbt hatte und James die kobaltblauen seines Vaters. Ansonsten ähnelten sich die beiden hochgewachsenen, kräftig gebauten Jungen.
James folgte dem großen Bruder auf Schritt und Tritt, und Jarrett brachte ihm alles bei, was er von den Lebensarten der Weißen und der Indianer wußte.
1812 führten die Vereinigten Staaten wieder Krieg gegen Großbritannien. Die amerikanischen Präsidenten hatten sich bemüht, ihre Neutralität zu wahren, während Napoleon Bonaparte zum französischen Kaiser emporstieg, und hielten sich aus dem europäischen Krieg heraus. Aber sowohl die Franzosen als auch die Engländer erließen ein Embargo gegen amerikanische Handelsschiffe. Schließlich begannen die Briten amerikanische Schiffe zu kapern und deren Besatzung zu rekrutieren. Die Vereinigten Staaten erklärten England den Krieg — ironischerweise, als die Briten das Embargo bereits aufgehoben hatten. Das konnten die Amerikaner wegen der mangelnden Verständigung über den Atlantik hinweg nicht wissen.
Um sich zu rächen, versprachen die Engländer, die Indianer zu unterstützen, wenn diese auf britischer Seite kämpften. 1813 war der Creek-Krieg ausgebrochen, zwischen den zivilisierten Lower Creeks und den Upper Creeks. Viele dieser Creeks waren Shawnees und andere Nordindianer, in der Creek-Konföderation zusammengeschlossen, weil die Weißen sie gezwungen hatten, auszuwandern. Der große Shawnee-Häuptling Tecumseh — ein intelligenter, angesehener Mann, der von den Weißen gelernt hatte, Bündnisse einzugehen — schlug sich auf die Seite der Engländer, in der Hoffnung, die weißen Siedler daran zu hindern, noch weiter ins westliche Indianerland vorzudringen. Er starb auf dem Schlachtfeld.
Jarretts Familie lebte bei den zivilisierten Creeks und stellte sich auf die amerikanische Seite. Sean wollte seinen Söhnen die beste Erziehung ermöglichen, die beide Welten — die indianische und die weiße — zu bieten hatten, und schickte sie auf eine Schule in Charleston. Aber wegen der Feindseligkeiten mußten sie nach Hause zurückkehren. Für Mary brachen bittere Zeiten an, denn fast alle ihre Verwandten väterlicherseits waren Upper Creeks und Florida-Seminolen. Dazu zählte auch James McQueen, einer der militantesten Krieger von den Upper Creek-Red Sticks. Glücklicherweise mußten sie nicht gegen ihr eigenes Fleisch und Blut kämpfen.
James war zu jung, um den Krieg zu verstehen, und klein genug, um an den Ohren gepackt zu werden, wenn er verkündete, er würde gern gegen die Engländer kämpfen. Natürlich beschloß Sean McKenzie, auch seinen älteren Sohn Jarrett von den Schlachtfeldern fernzuhalten. Doch das war schwierig, denn zu Beginn des Krieges wurde Fort Nims von den Red Sticks attackiert, die Frauen und Kinder ebenso niedermetzelten wie die Männer. Die Mehrzahl der Opfer waren zivilisierte Creeks oder Mischlinge.
Als Andy Jackson das Kampfgebiet durchquerte, faszinierte er Jarrett. Und so entwischte der Junge den Adleraugen seines Vaters, folgte Jackson und diente ihm als Dolmetscher.
Der General war ein eindrucksvoller Mann, obwohl schon im vorgeschrittenen Alter, verwittert und müde im Gesicht und in der Seele, aber bereit alles hinzunehmen — Entbehrungen, Überraschungsangriffe, Enttäuschungen, mangelnden Nachschub. So wie seine Männer aus Tennessee hielt er sich an das Prinzip: Handeln oder sterben. Jarrett bewunderte ihn, und als Jackson die Red Sticks bezwungen hatte und zu den Kämpfen in New Orleans weiterzog, beschloß der Junge seine Eltern zu verlassen und bat sie in einem Abschiedsbrief um Verzeihung. Da er sehr groß und muskulös war, glaubte ihm der General, den er bezüglich seines Alters belog.
Damals noch keine fünfzehn, erlernte er unter Jacksons Führung die Kriegskunst von der Pieke auf. Nie würde er seine Feuertaufe vergessen, die schreckliche Angst vor seiner ersten Schlacht. Und er erfuhr auch eine ganze Menge über die taktische Kriegsführung. Bei alldem kamen ihm die Einflüsse seines Elternhauses zugute — Mäßigung, Geduld und Klugheit, vom weißen Vater ererbt, Tapferkeit und Ausdauer, von der indianischen Stiefmutter übernommen.
Jarrett überlebte die Schlachten, aber bei seiner Heimkehr konnte er sich des väterlichen Zorns kaum erwehren. Als alles vorbei war, erfuhr er, daß die Lower Creeks den Krieg gemeinsam mit den Amerikanern verloren hatten.
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