Weddingplanerin mit Herz (German Edition)
Arbeitsstress. Schon zwei Brautkleidtermine hat sie platzen lassen. Man kann nämlich nicht einfach in ein Geschäft marschieren, »Hier bin ich und will ein Kleid« rufen und erwarten, dass die Verkäuferinnen vor Freude alles stehen und liegen lassen, um einem den Traum in Weiß zu erfüllen. Dachte ich vorher, weiß ich jetzt besser. In diesen Brautmodengeschäften muss man sich einen Termin geben lassen! Während der Anprobe wird eine Verkäuferin auf die Braut abgestellt, die sie die ganze Zeit betuttelt und berät. Genau die Tante, die man im Kaufhaus möglichst schnell loswerden will.
Gut, ich habe mich bislang noch nie in einen Brautladen verirrt, obwohl ich seit der Hochzeitsbarbie – und die liegt echt lange zurück – davon träume, so ein Kleid anzuziehen. Nicht, weil ich versessen aufs Heiraten wäre, sondern nur, um mich in so einem Traumkleid im Spiegel zu sehen. Wahrscheinlich befinde ich mich mit diesem Wunsch in viel zu guter und zahlreicher Gesellschaft. Deshalb ist die erste Frage am Telefon, als ich einen Termin für meine Schwester vereinbaren will:
»Wann ist die Hochzeit?«
»Im Juli.«
»In sechs Monaten – dann wird es aber höchste Zeit!«
Seit ich Teilzeit-Weddingplanerin bin, überraschen mich solche Aussagen weniger, als sie es früher getan hätten. Die allgemein vorherrschende Praxis ist: acht bis zwölf Monate Planungszeit für eine Hochzeit.
Zwölf Monate, das ist ein Jahr! Ich kann nicht voraussagen, was ich in einem Jahr mache oder wo ich dann gerade bin. Wenn mich heute einer für seine Fete exakt in einem Jahr einladen würde, würde ich ihn für verrückt halten oder zumindest für ziemlich merkwürdig. Okay, Geburtstage sind einmal im Jahr und Weihnachten und Silvester auch. Aber nicht mal dafür lege ich mich so lange im Voraus fest, was ich mit wem veranstalte. Möglicherweise habe ich in zwölf Monaten eine chillige Phase und mir ist nicht danach, meinen Geburtstag groß zu feiern. Nicht einmal meine Mutter brächte es fertig, am 24. Dezember zum Abschied zu den Großeltern, Tanten und Onkeln zu sagen: »Also, bis nächstes Jahr. Passt euch 16.00 Uhr? Und bringst du wieder deinen Weihnachtsstollen mit, Ulrike?«
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass die englische Königin Victoria sechs Jahre vorher ihren Besuch auf einem irischen Landsitz angekündigt hat. Königin muss ein extrem verplanter Beruf sein. Sie muss die spontane Lust auf eine Tasse Kaffee unterdrücken, wenn er nicht vor sechs Jahren auf den Speisezettel geschriebenwurde. Tja, und Bräute müssen eben ein Jahr im Voraus festlegen, was sie anziehen werden. Deshalb heißt es vermutlich »princess for a day – für einen Tag Prinzessin!«
Aber Madame Sandrine lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn ein Paar kommt und in einer Woche heiraten will oder am nächsten Tag.
Bonjour , guten Tag, machbar ist alles!
Dafür hat sie ja Endres und mich. Genau wie meine Schwester. Ich bekomme den Planungsmarathon inzwischen wenigstens bezahlt. Das ändert leider nichts daran, dass wir heute ein Brautkleid-Date ohne Braut haben. Ich greife zu meinem Handy und rufe Endres an.
»Meine Schwester hängt wieder einmal in der Luft fest. Haben wir eine andere Braut, die wir hinschicken können? Wäre doch schade, den heiß umkämpften Termin sausen zu lassen.«
»Sehr umsichtig, Sandrine wäre begeistert. Aber ich habe eine viel bessere Idee. Geh du inkognito hin, wechsle die Seiten und versetz dich in unsere Kundschaft hinein. Du warst sowieso noch nicht richtig shoppen und vielleicht findest du ja sogar was für deine Schwester.«
Genial! Mein Kindheits-Barbie-Traum wird wahr. Ich tippe eine SMS. Bei dem Spaß müssen Liane und Isabelle dabei sein.
Skeptischer könnte die Musterung der Verkäuferin kaum sein.
»Und Sie sind also die Braut? «
Von Madame Sandrine habe ich in den letzten Wochen einiges gelernt. An erster Stelle: Man behandelt jeden Kunden freundlich! Selbst wenn aus einem Geschäft nichts wird, dann kommt er beim nächsten Mal wieder und es klappt.
Sie hat erzählt, dass bei ihr schon Millionäre mit Löchern in den Schuhen und durchgewetzten Jacken aufgetaucht sind und einfache Leutchen, die sich für den Termin extra herausgeputzt hatten, um das fehlende Bankkonto zu verbergen. Die Kunst, die Menschen trotzdem zu durchschauen und zu erkennen, was sie wirklich wollen, brauchen und sich leisten können, beherrscht Madame wie keine Zweite. Die Verkäuferin vor mir scheint von dieser
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