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Weg da das ist mein Fettnapfchen

Weg da das ist mein Fettnapfchen

Titel: Weg da das ist mein Fettnapfchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Notaro Laurie
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was noch viel schlimmer ist, wenn sich dieses Getier ausgerechnet ein menschliches Gesicht als Eroberungsgebiet aussucht, es gibt in aller Regel nur einen Grund dafür – das Gesicht gehört einer Leiche.
    Mir rutschte das Herz in die Hose. Blankes Entsetzen packte mich.
    »… außerdem sagt deine Schwester, in deinem Garten hätte ein Toter gelegen, als sie die Auffahrt hochgefahren ist!«, hörte ich meine Mutter bereits zetern. »Ich meine, wer hat schon eine Leiche im Vorgarten liegen? Kein normaler, anständiger Mensch tut so etwas! In Arizona gibt es jedenfalls niemanden, der Besuch von seiner Schwester bekommt und eine Leiche im Garten herumliegen hat! NIEMANDEN ! Wieso liegen bei dir tote Menschen im Gras? Findest du das witzig? Tja, eines kann ich dir sagen: Deine Schwester war völlig außer sich! Und es ist definitiv nicht witzig!«
    Mir blieben etwa drei bis vier Minuten, um den Kadaver aus meinem eigenen in den Garten unserer Nachbarn zu verfrachten, damit meine Schwester glaubte, es sei deren Leiche. Aber, typisch ewige Optimistin, ich beschloss stattdessen, an der Hoffnung festzuhalten, auch wenn sie noch so unwahrscheinlich war, und dem Kerl eine solche Angst einzujagen, dass er von allein das Weite suchte.
    »Junger Mann«, sagte ich laut und baute mich über ihm und dem Königreich der Ameisen auf. »Junger Mann! Geht es Ihnen gut?«
    Er reagierte zwar nicht, doch mir war mittlerweile klar, dass er noch am Leben sein musste: Seine Beine waren angewinkelt, und die Füße standen auf dem Boden – meine Law & Order -Erfahrung sagte mir, dass er noch nicht lange genug in meinem Vorgarten lag, als dass der Rigor mortis (die Leichenstarre, für die Laien) eingesetzt hätte. Offen gestanden kann ich Ihnen nicht sagen, wie dieses »Junger Mann« über meine Lippen gekommen war; ich gehe lediglich davon aus, dass es für einen jungen Vagabunden nichts Beängstigenderes gibt als eine alte, mit einem Stock und einem schnurlosen Telefon bewaffnete Frau, die die Nummer der Polizei im Kurzwahlspeicher hat.
    Aber der Kerl rührte sich nicht vom Fleck. Eine weitere Ameise spazierte über seine Nase.
    »Junger Mann!«, sagte ich noch einmal laut und vernehmlich. »Wen soll ich anrufen? Ihren Sozialarbeiter? Ihren Jugendbetreuer? Ihren Bewährungshelfer?«
    Die Ameise trippelte am Rand seines linken Nasenlochs herum und enterte das rechte.
    »… ich kann aber auch gern die Polizei rufen, wenn Ihnen das lieber wäre«, fügte ich hinzu. »Die Nummer ist wesentlich kürzer.«
    Und wer hätte es gedacht, aber diese Worte besaßen offensichtlich eine solche Magie, dass sie den Fels vom Höhleneingang wegrollen und den Toten zum Leben erwecken konnten.
    »Häää?«, murmelte der Knilch, setzte sich auf und öffnete flatternd die Lider, trotz der Krabbelkolonien, die sich darauf niedergelassen hatten.
    »Ich habe Sie gefragt, ob ich lieber Ihren Bewährungshelfer oder die Polizei rufen soll«, erklärte ich. »Denn es sieht ganz so aus, als würden Sie in der Klemme stecken.«
    Ich bin gewiss die Erste, die unumwunden zugibt, dass ich vor gar nicht allzu langer Zeit selbst an höchst merkwürdigen Orten wieder zu mir gekommen bin, wie beispielsweise auf dem Badezimmerboden einer Freundin, wo ich gestrandet war, nachdem ich am Abend vor meiner College-Abschlussfeier ein wenig zu intensiv die Freundschaft mit einem reiferen Herrn namens Jack D. gepflegt hatte. Irgendwann hatte ich mich aufs Klo gesetzt, war aber prompt umgekippt und an der Wand entlang nach unten gerutscht. Allerdings war ich niemals – ich wiederhole, niemals – auf die Idee gekommen, der Garten von fremden Leuten könnte das ideale Plätzchen sein, noch dazu am helllichten Tag, nachdem ich fünf Tage am Stück Meth aus einer Pfeife mit einer Kruste aus Batteriesäure geraucht hatte.
    »Nö, mir geht’s gut«, brummelte er und rieb sich – endlich – die Augen. »Alles klar.«
    »Wenn es Ihnen so gut geht, wieso liegen Sie dann bewusstlos in meinem Garten?«, wollte ich wissen, noch immer mit in die Hüften gestemmten Händen über ihm thronend.
    Zwei Minuten und ein paar Zerquetschte verstrichen.
    »Tu ich doch gar nicht«, meinte er schließlich, ohne auch nur Anstalten zu machen aufzustehen. »Alles cool. Ich bin nur die Straße entlanggegangen, und hier sah’s eben nett aus.«
    »Nett wofür?«, hakte ich nach. »Wofür fanden Sie es nett?«
    »Nett, um ’ne Runde zu pennen«, gab er zurück, als wäre ich zu dämlich, von allein darauf zu

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