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Weg damit

Titel: Weg damit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Pohle
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und die Voraussetzung für Fülle. Der chinesische Philosoph Laotse beschreibt es in seinem Taoteking folgendermaßen:
    »Dreißig Speichen treffen die Nabe/
Die Leere dazwischen macht das Rad.
Lehm formt der Töpfer zu Gefäßen/
Die Leere darinnen macht das Gefäß.
Fenster und Türen bricht man in Mauern/
Die Leere damitten macht die Behausung.
Das Sichtbare bildet die Form eines Werkes.
Das Nicht-Sichtbare macht seinen Wert aus.«
Jeder Raum braucht einen Min Tang
    Überall steht und liegt etwas herum: auf der Fensterbank neben den Blumentöpfen kleine Figuren und Steine, auf dem Fernseher ein Körbchen mit Spielkarten und obenauf die Fernsehzeitschrift, auf den Heizkörpern Seidenblumen, auf dem Spülkasten der Toilette eine Schale mit getrockneten Duftteilen und in den Regalen auf den Büchern Broschüren und Papiere. In den meisten Büros und Wohnungen wird jede horizontale Fläche genutzt, um noch etwas zu platzieren, sodass das Ergebnis ein unendliches und wahlloses Sammelsurium von dekorativem Schnickschnack und Gebrauchsgegenständen ist.
    Diese Tendenz, überall etwas abzulegen, macht auch nicht vor den Flächen halt, die eigentlich eine klar definierte Funktion haben: Arbeitsfläche, Tisch oder Stuhl. Aber auf der Arbeitsfläche in der Küche liegen so viele Küchenutensilien, dass man kaum Platz zum Arbeiten hat. Auf den Stühlen stapeln sich Kleidungsstücke oder Papiere, sodass man sie erst frei räumen muss, bevor man sich setzen kann. Und auf dem Esstisch türmen sich ganze Stapel von Zeitungen, die man mal eben zur Seite schiebt, wenn man essen möchte. Selbst dann hat man immer das Unerledigte vor Augen - ein Zustand, der sich sicherlich nicht förderlich auf die innere Harmonie und die Gesundheit auswirkt. Also: Schluss damit!
    Eine wirksame Strategie, um uns täglich daran zu erinnern, dass wir uns mit unseren Möbeln und Habseligkeiten nicht die Luft zum Atmen abschnüren dürfen, ist der Min Tang - ein Begriff aus dem Feng Shui, der »Teich« bedeutet. Feng Shui ist
eine traditionelle chinesische Wissenschaft, die darauf abzielt, Lebensräume so zu gestalten, dass der Mensch sich wohl fühlt. Ausgehend von der Annahme, dass unsichtbare Energien, das so genannte Chi, für das Wohlbefinden im Raum zuständig sind, werden diese Ströme durch eine entsprechende Raumgestaltung gelenkt und verstärkt. Im Feng Shui geht es vor allem um die flie ßenden Energien innerhalb eines Raumes, und dieses Fließen setzt zunächst Platz voraus. Zugestellte Räume, in denen man kaum treten kann, blockieren Energien, sodass sie nicht mehr ungehindert fließen können.
    Ein Min Tang in jedem Raum ist sichtbare Leere. Keine Angst, Sie müssen natürlich nicht in jedem Zimmer eine Wasserfläche anlegen. Es geht vielmehr um die Vorstellung, um die übertragene Bedeutung: Ein Min Tang ist ein Platz, der absolut »tabu« ist. Das kann im Wohnzimmer eine leere Fläche auf dem Fußboden sein - dort darf auch ein Teppich liegen, Sie dürfen auch darüber gehen, aber auf diesen Platz sollten Sie kein einziges Möbelstück stellen. Ein Min Tang mag aber ebenso gut auch eine leere Fensterbank sein, auf der rein gar nichts steht, kein Blumentopf, kein Nippes, einfach nichts. Oder Sie räumen innerhalb Ihrer offenen Regalwand ein Regalbrett leer.
    Das Prinzip der Leere, das sich im Min Tang ausdrückt, kommt unserem ästhetischen Ideal von asiatischer Schönheit sehr nahe. Die klassischen Wohnzeitschriften propagieren Wohnzimmer mit einer minimalen, schon fast asketischen Ausstattung: viel freie Fläche, so gut wie keine Schränke oder nur halbhohe Sideboards, ein Sofa mit höchstens einem Sessel als Pendant, keine herumstehenden Teile, eben äußerste Leere - das sind die Ausdrucksformen dieses Wohnungstyps. Die äußere Hektik und Fülle des Lebens moderner Großstadtmenschen sucht hierdurch Ausgleich und Entspannung. Reizarmut im Innenraum soll der Reizüberflutung der Außenwelt entgegentreten. Der gelebte Minimalismus im Einrichtungsstil steht im Gegensatz zur Vielfalt und Komplexität des beruflichen Lebens. Sollte das Ihr Einrichtungsstil sein, so brauchen Sie keinen Min Tang, denn er ist bei Ihnen schon intuitiv Teil des Wohnens geworden.

    Für alle anderen, die eher zu einer gewissen Üppigkeit tendieren, ist ein sichtbarer Min Tang im Raum unentbehrlich. Aber nicht schummeln: Ein leeres Regalbrett hinter der Tür oder ein leerer Kleiderbügel im Kleiderschrank zählen natürlich nicht! Wichtig ist, dass jeder Raum

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