Weg der Träume
Tochter. »Was ist los, Sarah? Sag mir die Wahrheit. Ich kenne dich zu gut. Es ist doch etwas passiert, oder?«
Sie drückte Sarahs Hand sanft, aber Sarah entzog sie ihr. Um sie herum gingen die anderen Leute ihren Geschäften nach oder waren in ihre Gespräche vertieft.
»Michael heiratet wieder«, sagte sie leise.
Maureen vergewisserte sich, dass sie richtig gehört hatte. Dann nahm sie ihre Tochter fest in den Arm. »Oh, Sarah… es tut mir so Leid«, flüsterte sie.
Mehr gab es nicht zu sagen.
Wenige Minuten später saßen die beiden auf einer Parkbank, von der aus man den Jachthafen überblickte. Sie hatten sich unbewusst von der Menge entfernt, bis der Weg endete.
Sie sprachen lange miteinander, oder besser gesagt, Sarah sprach. Maureen hörte zu, unfähig, ihre Sorge zu verbergen. Immer wieder stiegen ihr Tränen in die Augen, und sie drückte Sarahs Hand bestimmt ein dutzend Mal.
»Oh… das ist schrecklich«, sagte sie immer wieder. »Was für ein schrecklicher Tag!«
»Das fand ich auch.«
»Würde es dir helfen, wenn du die guten Seiten an der Sache betrachtest?«
»Es gibt keine guten Seiten, Mom.«
»Doch, sicher.«
Sarah hob skeptisch die Augenbrauen. »Zum Beispiel?«
»Nun, du kannst sicher sein, dass sie nach ihrer Hochzeit nicht hier leben werden. Dein Vater würde sie teeren und federn lassen.«
Trotz ihrer düsteren Stimmung musste Sarah lachen.
»Vielen Dank. Sollte ich ihn je wiedersehen, werde ich es ihm ausrichten.«
Maureen schwieg für eine Weile. »Das hast du aber nicht vor, oder? Ihn wiedersehen, meine ich.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Nein - nicht, wenn ich es vermeiden kann.«
»Gut. Nach allem, was er dir angetan hat, wäre das auch nicht richtig.«
Sarah nickte und lehnte sich zurück.
»Hast du in letzter Zeit etwas von Brian gehört?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln. »Er ist nie da, wenn ich komme.«
»Ich habe vor ein paar Tagen mit ihm gesprochen, aber du weißt ja, wie das ist. Manchmal hat man eben keine Lust, mit seinen Eltern zu reden. Am Telefon ist er immer kurz angebunden.«
»Hast er schon Freunde gefunden?«
»Bestimmt.«
Sarah blickte auf das Wasser und dachte über ihren Bruder nach. Dann fragte sie: »Und wie geht es Daddy?«
»Wie immer. Er war Anfang der Woche beim Arzt, und anscheinend ist alles in Ordnung. Er ist nicht mehr so müde.«
»Macht er noch seine Übungen?«
»Nicht regelmäßig, aber er verspricht mir ständig, dass er sich ernsthaft bemühen will.«
»Richte ihm aus, das soll er unbedingt tun.«
»Mache ich. Aber er ist stur, wie du weißt. Es wäre besser, wenn du es ihm selbst sagst. Wenn ich es tue, hält er mich nur für eine Nörglerin.«
»Bist du das?«
»Natürlich nicht. Ich mache mir nur Sorgen um ihn«, erwiderte Maureen rasch. Draußen auf dem Wasser segelte eine große Jacht langsam auf den River Neuse zu. Gleich würde die Brücke zur Seite schwenken, um sie durchzulassen, und zu beiden Seiten würde sich der Verkehr stauen. Sarah hatte gelernt, dass sie immer, wenn sie zu spät zu einer Verabredung kam, als Ausrede sagen konnte, sie sei »an der Brücke aufgehalten worden«. Alle Einwohner der Stadt - von Ärzten bis zu Richtern - akzeptierten diese Erklärung ohne weiteres, weil sie sie selbst schon benutzt hatten. Sarah musste lächeln.
»Schön, dass du wieder lachen kannst«, murmelte Maureen. Sarah sah sie von der Seite an.
»Guck nicht so. Eine ganze Weile lang konntest du es nicht.«
Sarah blickte auf ihren Schoß hinunter und ihre Mutter legte ihr die Hand leicht aufs Knie.
»Lass nicht zu, dass Michael dich noch mehr verletzt. Du bist darüber hinweg - denk daran.«
Sarah nickte fast unmerklich, und Maureen setzte den Monolog fort, den Sarah beinahe auswendig kannte.
»Auch dir wird es wieder gut gehen. Eines Tages wirst du jemanden finden, der dich so liebt, wie du bist.«
»Mom…«, unterbrach Sarah sie kopfschüttelnd. Jedes Gespräch lief derzeit auf diesen Punkt zu.
Ausnahmsweise hatte ihre Mutter ein Einsehen und hielt sich zurück. Sie griff erneut nach Sarahs Hand und hielt sie auch gegen ihren leisen Widerstand fest, bis ihre Tochter nachgab.
»Ich kann nichts dafür, dass ich mir alles Glück der Welt für dich wünsche«, sagte sie. »Kannst du das verstehen?«
Sarah zwang sich zu einem Lächeln, in der Hoffnung, ihre Mutter wäre dann zufriedener.
»Ja, Mom, das verstehe ich.«
Kapitel 7
Am Montag begann für Jonah der neue Wochenplan, der sein Leben in den
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