Weg der Träume
verschwommen. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich im Auto saß und nach Hause fuhr. Erklären kann ich es nicht, nur vielleicht durch meine Unfähigkeit, klar zu denken. Wäre dasselbe heute passiert, hätte ich also gewusst, was ich jetzt weiß, hätte ich mich anders verhalten. Ich wäre ins nächstgelegene Haus gelaufen und hätte die Polizei alarmiert. In jener Nacht tat ich das nicht.
Ich glaube aber nicht, dass ich die Sache vertuschen wollte. Jedenfalls nicht gleich. Wenn ich zurückschaue und zu verstehen versuche, dann fuhr ich vermutlich nach Hause, weil das der Ort war, wo ich sein wollte. Wie eine Motte, die es zum Licht zieht, schien ich keine andere Wahl zu haben. Ich reagierte einfach auf eine absolut nicht zu bewältigende Situation.
Auch zu Hause unternahm ich nicht das Richtige. Ich erinnere mich nur, dass ich mich erschöpfter fühlte als je zuvor im Leben, und statt die Polizei anzurufen, verkroch ich mich in mein Bett und schlief ein.
Und dann war es Morgen.
Es ist schrecklich, wenn man gleich kurz nach dem Aufwachen weiß, dass etwas Furchtbares passiert ist, aber die konkreten Erinnerungen noch nicht über einen hereingebrochen sind. So war es, als ich an jenem Tag die Augen aufschlug. Ich konnte kaum atmen, es war, als hätte man mir die Luft abgeschnürt, aber sobald ich einmal Atem geholt hatte, kam alles zurück.
Die Fahrt. Der Aufprall.
Wie Missy aussah, als ich sie fand.
Ich schlug die Hände vors Gesicht und wollte es einfach nicht glauben. Mein Herz klopfte wie verrückt, und ich betete fieberhaft darum, dass alles nur ein Traum war. Ich hatte solche Träume schon gehabt - Träume, die mir so wirklich vorkamen, dass ich ernsthaft nachdenken musste, bevor ich meinen Irrtum erkannte. Diesmal jedoch handelte es sich um die Wirklichkeit, und sie wurde immer grausamer.
Kurz darauf las ich den Zeitungsbericht .
Das war der Moment, in dem mein Verbrechen stattfand.
Ich sah die Fotos, sah, was passiert war. Die Polizei wurde zitiert, man schwor, den Täter zu finden, ganz gleich, wie lange es dauern mochte. Und ich begriff, dass das, was geschehen war - dieser grauenhafte, grauenhafte Unfall - nicht als Unfall betrachtet wurde, sondern als Verbrechen. Fahrerflucht, stand in dem Artikel. Eine Straftat.
Das Telefon auf der Anrichte schien an mich zu appellieren. Ich war davongelaufen.
Aus ihrer Sicht war ich schuldig, ungeachtet der Umstände.
Ich muss jedoch noch einmal betonen, dass das, was ich an jenem Abend getan hatte, kein Verbrechen war, auch wenn es so in dem Artikel stand. Ich hatte mich nicht bewusst zur Flucht entschlossen. Dafür hatte ich nicht klar genug denken können.
Nein, mein Verbrechen fand nicht an jenem Abend statt.
Mein Verbrechen ereignete sich in meiner Küche, als ich das Telefon anschaute und es nicht benutzte.
Der Artikel hatte mich erschüttert, aber ich konnte wieder klar denken. Ich wog meine Ängste gegen eine Handlungsweise ab, die richtig gewesen wäre, und am Ende siegten meine Ängste.
Voller Entsetzen begriff ich, dass ich für etwas, das ich aufrichtig einen Unfall nennen konnte, ins Gefängnis kommen würde, und ich suchte Ausflüchte. Ich nahm mir vor, später anzurufen - ich habe es nicht getan. Ich redete mir ein, ich würde nur ein paar Tage warten, bis sich die Lage beruhigt hatte. Ich habe es nicht getan. Dann beschloss ich, bis nach der Beerdigung zu warten.
Und da wusste ich, dass es zu spät war.
Kapitel 19
Wenig später schoss Miles mit heulenden Sirenen und blinkendem Blaulicht um die Ecke, wobei er fast die Kontrolle über den Wagen verloren hätte. Das Gaspedal war bis zum Boden durchgedrückt.
Er hatte Sims aus der Zelle und die Treppen hoch geschleift und ihn, ohne auf die erstaunten Blicke seiner Kollegen zu achten, zwischen den Schreibtischen hindurch geschleust. Charlie, der gerade in seinem Büro telefonierte, legte beim Anblick von Miles' kalkweißem Gesicht auf, aber nicht schnell genug, um ihm und Sims den Weg zur Tür zu versperren. Sie verließen das Gebäude, und als Charlie den Gehweg erreichte, verschwanden Miles und Sims bereits in entgegengesetzte Richtungen. Charlie entschloss sich in Sekundenschnelle, Miles zu folgen. Er rief ihm nach, er solle stehen bleiben, doch Miles ignorierte ihn und warf sich in einen Dienstwagen.
Charlie erreichte ihn gerade noch, bevor er auf die Straße einbog. Er klopfte ans Fenster des rollenden Wagens.
»Was ist los?«, rief er.
Miles machte eine abwehrende
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