Weg der Träume
ihn.
»Alles okay bei dir?«, fragte er. Er fand, dass Miles nicht besser aussah als er selbst.
»Harte Nacht.«
»Und ein harter Tag. Willst du einen Kaffee?«
»Hatte zu Hause schon jede Menge.«
Charlie machte eine Kopfbewegung. »Dann komm rein, wir müssen reden.«
Als Miles eingetreten war, schloss Charlie die Tür, und Miles setzte sich auf den Stuhl. Charlie lehnte gegen den Schreibtisch.
»Bevor wir anfangen«, begann Miles, »solltest du wissen, dass ich seit gestern über diesem Fall sitze, und ich glaube, ich habe da ein paar Ideen…«
Charlie schüttelte den Kopf und ließ ihn nicht ausreden. »Pass auf, Miles - deshalb habe ich dich nicht kommen lassen. Jetzt musst du erst mal zuhören, okay?«
Charlies Gesichtsausdruck verriet Miles, dass ihm die nächsten Sätze überhaupt nicht gefallen würden, und er war auf der Hut.
»Ich will nicht lange um den heißen Brei reden. Dazu kennen wir uns schon zu lange.« Charlie machte eine Pause.
»Was ist?«
»Ich werde heute Otis Timson freilassen.«
Miles sperrte den Mund auf, aber Charlie hob die Hände.
»Hör mich an, damit du nicht glaubst, dass ich übereilt handle. Es bleibt mir nichts anderes übrig, in Anbetracht der Aussagen, die mir vorliegen. Nachdem du gestern weg warst, bin ich zu Earl Getlin gefahren.«
Er berichtete Miles von Getlins Aussage.
»Da hast du doch den Beweis, den du brauchst«, fuhr Miles auf.
»Moment mal! Es bestehen noch ernsthafte Zweifel an seiner Aussage. So viel ich gehört habe, würde Thurman Jones ihn zerpflücken, und keine Jury auf der Welt würde ihm auch nur eine Silbe glauben.«
»Überlass das der Jury«, protestierte Miles. »Du kannst ihn nicht einfach laufen lassen.«
»Mir sind die Hände gebunden. Glaub mir, ich bin die ganze Nacht aufgeblieben und habe die Akte studiert. Wir haben einfach nicht genug Beweise, um ihn festzuhalten. Vor allem, weil Sims sich aus dem Staub gemacht hat.«
»Was?«
»Ich habe seit gestern nach ihm suchen lassen. Er ist einfach verschwunden. Niemand konnte ihn finden, und Harvey unternimmt nichts, bevor er Sims vernommen hat.«
»Ach, verdammt, Otis hat es doch zugegeben!«
»Ich habe keine Wahl«, erklärte Charlie.
»Er hat meine Frau umgebracht.«
Miles stieß die Worte zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Es ist nicht nur meine Entscheidung. Ohne Sims haben wir nichts in der Hand, und das weißt du. Harvey Wellman meinte, so wie die Dinge liegen, würde der Staatsanwalt niemals Anklage erheben.«
»Harvey steckt dahinter?«
»Ich habe vorhin wieder mit ihm gesprochen. Glaub mir, er ist mehr als fair. Es ist nicht persönlich gemeint - er tut einfach, was er tun muss.«
»Das ist Blödsinn.«
»Versetz dich doch mal in seine Lage, Miles…«
»Ich will mich nicht in seine Lage versetzen! Ich will, dass Otis wegen Mordes angeklagt wird.«
»Ich weiß, dass du aufgebracht bist…«
»Ich bin nicht aufgebracht, Charlie! Ich habe eine Mordswut im Bauch.«
»Das weiß ich - aber darum geht es nicht. Auch wenn wir Otis jetzt laufen lassen, bedeutet das doch lange nicht, dass er nicht später angeklagt wird, verstehst du? Es bedeutet nur, dass wir im Moment nicht genug gegen ihn in der Hand haben. Aber der Fall ist noch nicht abgeschlossen.«
Miles zog ein grimmiges Gesicht. »Und bis dahin ist Otis auf freiem Fuß.«
»Er würde sowieso auf Kaution freikommen. Sobald wir ihn unter Anklage stellen, spaziert er hier raus. Das weißt du.«
Manchmal fand Miles das Rechtssystem empörend. Er trommelte nervös auf die Stuhllehne, dann fixierte er Charlie.
»Hast du mit Otis gesprochen?«, fragte er.
»Heute früh hab ich es versucht. Sein Anwalt war da und hat ihm geraten, die meisten meiner Fragen nicht zu beantworten. Es kam nichts Nützliches dabei heraus.«
»Soll ich es vielleicht versuchen?«
Charlie schüttelte rasch den Kopf. »Das geht nicht, Miles.«
»Warum nicht?«
»Das kann ich nicht zulassen.«
»Weil es Missy betrifft?«
»Nein - wegen deinem Ausrutscher von gestern.«
»Was meinst du damit?«
Charlie sah Miles wortlos an. Miles reagierte nicht, also stand Charlie auf.
»Ich will offen sein. Otis hat sich zwar geweigert, Fragen über Missy zu beantworten, aber er hat bereitwillig Auskunft über dein gestriges Verhalten gegeben. Deshalb muss ich dich jetzt fragen…«
Er zögerte. »Was ist in deinem Wagen passiert?«
Miles zog die Beine unter den Stuhl. »Auf der Straße war ein Waschbär, und ich musste eine
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