Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin
Anflug ist das Problem der Navy, nicht unseres«, gab Onassis zu bedenken. »Aber nachdem ich das nun gesagt habe, muss ich zugegebenermaßen gestehen, dass auch ich schon manche schlaflose Nacht darüber verbracht habe.« In einem angespannten Grinsen ließ er die Zähne aufblitzen. »Und die Identifizierung der Zielobjekte ist bei so einem Einsatz immer höllisch schwierig. Aber man überträgt uns eine Aufgabe ja nicht, weil sie einfach wäre.«
Ernst nickte Alicia, verschränkte ihrerseits die Arme und runzelte die Stirn.
Bei dem Terrain, das auf dem Display-Tisch dargestellt war, handelte es sich um einen Talkessel auf dem Planeten Chengchou. Chengchou hatte früher der Liga angehört, doch im Gegensatz zu Gyangtse hatte das Imperium noch keinen Anspruch auf Chengchou erhoben. Der Planet war eine der Freiwelten, die als Pufferzone zwischen dem Imperium und der Rishatha-Sphäre dienten. Diese Welt lag auf der dem Imperium zugewandten Seite der formal unabhängigen Zone zwischen jenen beiden riesigen Reichen und gehörte zu den vier ebenso unabhängigen Sonnensystemen, die sich derzeit mit dem Außenministerium in etwas ergingen, was beschönigend ›multilaterale, gemeinschaftliche Verhandlungen über Sicherheitsfragen‹ genannt wurde.
In Wirklichkeit war damit gemeint, dass die betreffenden Sonnensysteme (zumindest war das Imperium dieser Ansicht) als Zufluchtsorte und Ausgangsbasen für verschiedene ›Befreiungsorganisationen‹ dienten, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, ihre ›versklavten Brüder und Schwestern vom Joch des Imperiums zu befreien‹. Das gefiel dem Imperium nicht sonderlich, und es stand kurz davor, etwas dagegen zu unternehmen.
Nach allen Begriffen des Imperiums waren diese ›Befreiungsorganisationen‹ nichts anderes als ›terroristische Vereinigungen‹, und Alicia war der Ansicht, diese Beschreibung sei völlig korrekt. Angesichts des enormen Missverhältnisses zwischen der militärischen Schlagkraft des Imperiums und den deutlich beschränkten Ressourcen dieser Organisationen konnten letztere sich unmöglich auf einen konventionellen Krieg einlassen, sosehr sie das vielleicht auch bevorzugt hätten. Damit blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich der ›asymmetrischen Kriegführung‹ zu bedienen, und so handelten sie - wie so oft unter derartigen Bedingungen - außerhalb des allgemein anerkannten Kriegsvölkerrechts, das etablierte Nationen stets aufrechtzuerhalten bemüht waren. Das war ebenso unausweichlich wie alles andere, was sich im Krieg ereignen mochte. Doch soweit Alicia das beurteilen konnte, waren die meisten dieser ›Befreiungsorganisationen‹ glücklich und zufrieden damit, jene Terrorstrategien anzuwenden, die ihr Ressourcenmangel ihnen eben auferlegte. Tatsächlich sah es ganz danach aus, als würden sie es sogar genießen, in dieser Art und Weise vorzugehen, und sie schienen auch nicht sonderlich scheu, die klassische Terrortaktik der ›willkürlichen allgemeinen Gräueltaten‹ anzuwenden.
Für die Bürger zahlreicher Freiwelten hingegen - und auch für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung verschiedener Welten der Krone (wie beispielsweise Gyangtse) - waren sie ›Patrioten‹. Schlimmer noch: Sie waren ein nützliches Werkzeug für jene, die dem Imperium Übles wollten. Die Rish beispielsweise finanzierten und unterstützten derartige Organisationen schon seit langem (selbstverständlich insgeheim), und Gleiches galt auch für einige der einflussreicheren Freiwelten.
Jegliche Freiwelt musste äußerst vorsichtig dabei vorgehen, Organisationen zu unterstützen, die das Imperium als terroristisch eingestuft hatte - gerade angesichts der seit langem gültigen imperialen Politik, die Freunde eines Feindes ebenfalls als Feind zu betrachten. Für das Imperium war jeglicher terroristische Akt eine Kriegshandlung, und wer eine Kriegshandlung unterstützte, machte sich nach Ansicht des Imperiums ebenfalls einer Kriegshandlung schuldig. Und das war der Grund, warum es sich keine Freiwelt leisten konnte, unzweideutig mit einem terroristischen Angriff auf Bürger oder Territorien des Imperiums in Verbindung gebracht zu werden - es sei denn natürlich, besagte Freiwelt hätte Spaß daran, plötzlich Besuch von Schlachtschiffen der Navy und einer gewaltigen Anzahl äußerst übelgelaunter Marines zu erhalten.
Doch solange derartige Verbindungen verborgen blieben (oder zumindest in glaubwürdiger Art und Weise abgestritten werden konnten), erschien schon
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