Weg des Zorns 01 - Die Kriegerin

›Eine Krise, eine Kompanie‹. Alicia hätte die Anzahl von Einsätzen, bei denen der Kader es seit seiner Gründung für notwendig erachtet hatte, ganze Bataillone ins Feld zu führen, an ihren Fingern und Zehen abzählen können - aber ohne dafür beide Stiefel ausziehen zu müssen.
    »Entschuldigung, Onkel Arthur«, ergriff nun Lieutenant Masolle das Wort, »aber warum um alles in der Welt sollte jemand einen Interstellar-Transporter entführen und dann ein System wie Fuller damit ansteuern?«
    »Captain Watts wird Ihnen gleich erklären, welche Erklärung wir uns dafür zurechtgelegt haben, Lieutenant«, erwiderte Keita. »Aber gestatten Sie mir, zunächst die Beschreibung der allgemeinen Lage abzuschließen.«
    »Selbstverständlich, Sir.« Masolle lehnte sich wieder in ihrem Sessel zurück, doch sie hatte die Stirn in Falten gelegt, und Alicia war sich sicher, dass dem Lieutenant gerade ziemlich genau die gleichen Fragen durch den Kopf gingen wie ihr selbst.
    »Die Kurzfassung lautet, dass diese Entführer, als sie auf Fuller eingetroffen waren, sich als Mitglieder der Freiheits-Allianz zu erkennen gegeben und verkündet haben, sie hätten die Absicht, die Delegation von Raintree und die Besatzung der Star Roamer in Geiselhaft zu halten, bis ›unseren berechtigten Forderungen nach Freiheit und Befreiung unserer Brüder und Schwestern in der Knechtschaft durch die imperialistischen Kriegstreiber und Unterdrücker des sogenannten Terranischen Imperiums nachgegeben wurde‹.«
    Während Keita diesen letzten Satz aussprach, klang seine Stimme völlig ausdruckslos, doch Alicia verließ der Mut. Wie alle Angehörigen der Charlie-Kompanie war sie mit den Berichten des Nachrichtendienstes über die Freiheits-Allianz wohlvertraut.
    Vom Grundkonzept und der allgemeinen Philosophie hatte dieser Dachverband mindestens eines halben Dutzends sogenannter Planetar-Befreiungsorganisationen einiges gemein mit den unseligen Möchtegern-Terroristen, gegen die Alicias Kompanie während des Stoßtruppunternehmens auf Chengchou vorgegangen war. Tatsächlich hatten die Berichte, die nach dem Angriff eingegangen waren, deutlich darauf schließen lassen, dass zumindest einige Personen aus der Ausbildungsriege von Chengchou der BAFA angehört hatten.
    Ob das nun stimmte oder nicht: Diese Allianz war vermutlich die fähigste - und gefährlichste - terroristische Vereinigung, die derzeit gegen das Imperium vorging. Auch wenn es dem imperialen Nachrichtendienst gelungen war, eine oder zwei der Mitgliedsorganisationen der Freiheits-Allianz zu unterwandern, stellte deren Dachverband doch eine deutlich härtere Nuss dar. Sämtliche seiner Mitglieder waren immens diszipliniert und trafen sorgsam sämtliche erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen, und zudem wurden sie geradezu teuflisch gut finanziert. Alles wies darauf hin, dass ein Großteil der finanziellen Unterstützung dieses Dachverbandes von einem gut organisierten Spendernetzwerk stammte, das auf mindestens mehreren Dutzend unabhängiger Freiwelten aktiv war, und er hatte ebenso zweifellos Kontakt mit zahlreichen Waffenschmugglern und zwielichtigen Waffenhändlern aufgenommen, denn die ›Befreiungsarmee der Freiheits-Allianz‹ war deutlich besser bewaffnet als die meisten anderen dieser ›Befreiungs-Organisationen‹.
    Schlimmer noch: Die Freiheits-Allianz hatte bereits unter Beweis gestellt, dass sie auch vor Blutvergießen nicht zurückschreckte - und damit war wirklich viel Blut gemeint, einschließlich dessen der eigenen Leute -, um ihre Ziele zu erreichen, und das ungeachtet der Tatsache, dass jedem mit einem halbwegs funktionsfähigen Gehirn sofort klar sein musste, wie unerreichbar diese Ziele letztendlich doch waren.
    »Was nun die Frage betrifft, was sie ausgerechnet auf Fuller tun, Francesca«, fuhr Keita fort, »so ist die Antwort darauf bedauerlicherweise völlig eindeutig. Wie Sie wissen, gehört das Fuller-Sonnensystem dem Imperium nicht an, sondern ist Teil des Langford-Bundes. Der Bund ist dem Imperium nicht gerade wohlgesinnt, aber unsere Beziehungen zu den Welten, die diesem Bund angehören, sind dennoch ungleich besser als die zu zahlreichen Freiwelten. Anscheinend legt es die Freiheits-Allianz darauf an, diese Beziehungen deutlich zu verschlechtern, und es sieht auch danach aus, als hätte sie berücksichtigt, dass wir deutlich weniger gewillt sein würden, einen Militäreinsatz auf einem Planeten zu starten, der dem Bund angehört.
    Wie dem auch sei, die