Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
plötzliche Verschwinden auch nur eines einzigen viel zu sehr auffallen würde. Und das stimmte wohl auch, wenngleich es nicht die ganze Wahrheit war.
Major Tannis Cateaus unerschütterliche Entschlossenheit, Alicia DeVries zu beschützen, war ein weiterer wichtiger Teil dabei. Niemandem sonst sollte es gestattet werden, als Alicias behandelnde Ärztin zu fungieren, falls man sie tatsächlich lebendig zurückbringen könnte ... und Sir Arthur wusste genau, dass Tannis hoffte - und darum betete -, sie stünde jederzeit zur Verfügung, sobald Alicia erst einmal gefunden worden wäre. Wenn es irgendjemanden gab, der es vielleicht schaffen konnte, Alicia dazu zu bringen, sich zu stellen, dann war das Tannis Cateau.
Das verstand Keita sehr gut, und er war es Tannis einfach schuldig, ihr diese Chance zu verschaffen, so gering sie auch war - und das wussten sie beide. Er war es ihr fast ebenso schuldig, wie er es Alicia selbst schuldete. Doch das war etwas, das er nur ungern Komtesse Miller hatte erklären wollen, und so hatte er dafür gesorgt, dass Tannis vor Ort bleiben konnte, indem er daraufhinwies, dass ein Bataillon einem Major zu unterstehen hatte. Und Keita hatte darauf beharrt, es sei nur logisch, dass dieses Kommando an Major Cateau gehen solle, die eben bereits vor Ort war. Die Navy oder die Marines hätten vielleicht die entsprechende Kompetenz eines Offiziers im Sanitätsdienst in Frage gestellt; beim Kader war das anders.
»Haben Sie schon Inspector Suarez darüber in Kenntnis gesetzt?«, fragte Tannis schließlich, und Sir Arthur nickte.
»Er pflichtet mir bei, dass wir keine andere Wahl haben. Die ersten seiner Marshalls werden schon heute Nachmittag auf Basis Zwo eintreffen.«
»Aber sie werden keine Zeit mehr für Manöver mit scharfer Munition haben, oder?«
»Leider nicht, aber wenigstens sind das alles erfahrene Leute. Und eigentlich sollen dabei ja sowieso keine Schüsse fallen.«
Tannis schnaubte verächtlich, und es fiel Keita sehr schwer, es ihr nicht gleichzutun.
Neunzig der dreihundert Imperial Marshalls, die Inspector Hector Suarez unterstanden, waren Agenten von ›Abteilung O‹, während man die anderen sorgsam aus der kriminalpolizeilichen Abteilung des Justizministeriums ausgewählt hatte. Die meisten von ihnen hatten zuvor dem Militär angehört, doch Keita war nicht ganz so sehr davon überzeugt wie die Leute auf Alterde, es werde keinerlei offenen Widerstand geben. Kein Imperator hatte jemals zuvor angeordnet, die gesamte militärische und zivile Kommandostruktur eines Sektors der Krone gleichzeitig in Vorbeugehaft nehmen zu lassen. Die Verfassung gestand Seamus II. genau dieses Recht zu - vorausgesetzt, niemand wurde ohne offizielle Anklage länger als dreißig Tage festgehalten -, doch es würde für immense Verwirrung sorgen. Und hinreichend wohlplatzierte Verräter mochten sehr wohl in der Lage sein, ihre Untergebenen davon zu überzeugen, hier bereite jemand anderes von langer Hand Hochverrat vor, und vor diesem Hintergrund genug Widerstand organisieren, um die eigene Flucht zu verschleiern.
»Ich wünschte wirklich, wir bräuchten das nicht zu tun«, sagte Tannis in die Stille hinein.
»Ich auch, aber wie sollen wir es denn sonst machen? Wir haben versucht, so lange abzuwarten, bis wir die Schuldigen gefunden haben, aber sämtliche unserer Ermittler laufen früher oder später gegen Wände - selbst Ben Belkassem hat sich seit über einem Monat nicht mehr gemeldet. Wenn wir überhaupt irgendwie handeln, dann müssen wir sie alle gleichzeitig in Gewahrsam nehmen, sonst gehen wir das Risiko ein, dass uns irgendjemand entgeht, den wir unbedingt erwischen wollen. Und ich fürchte, uns läuft langsam die Zeit davon.« Keita tippte gegen sein Lesegerät. »Ich habe gerade eine Nachricht von Ben McIlhenny erhalten, und ich wünschte verdammt noch mal wirklich, Komtesse Miller hätte mir gestattet, ihm davon zu erzählen!«
»Warum das?«
»Weil er nicht gewusst hat, dass man sich hier auf ein Eingreifen vorbereitet, also hat er beschlossen, die ganze Sache auf eigene Faust voranzutreiben. Er hat versucht, diese Mistkerle durch einen Bluff dazu zu bringen, ganz offen zu handeln! In einem Schreiben hat er einen sehr ausgewählten Kreis wissen lassen, dass er kurz davor steht, den Verräter zu demaskieren.«
»Er hat was?!« Ruckartig richtete sich Tannis in ihrem Sessel auf, und Keita nickte.
»Ganz genau. Er hatte sich überlegt, dass die es einfach nicht riskieren könnten,
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