Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
außer James Howell persönlich ihnen mehr Informationen geben, doch er hatte das Gefühl, dieser Frau alleine schon zuzuhören, würde ihn selbst in irgendeiner nicht näher beschreibbaren Art und Weise beflecken. Sie trug einen unsichtbaren Makel der Verderbtheit in sich, eine Fäulnis der Seele, die umso schlimmer war, weil sie so gewöhnlich aussah, so normal. Und sie hatte alle Geschehnisse der letzten Zeit mit jener widerlichen Fröhlichkeit geschildert, die Ben Belkassems Drogen hervorriefen.
Unter gewöhnlichen Umständen durften bei keinem Bürger des Imperiums ohne ausdrückliche Anordnung eines ordentlichen Gerichtes Wahrheitsdrogen zum Einsatz gebracht werden - was, das wusste Keita, Ben Belkassem und Hector Suarez nicht einen einzigen Moment auch nur hätte zögern lassen. Der Brigadier selbst war einfach froh darüber, dass hier keinerlei Gesetze gebrochen worden waren. Man hatte sie vielleicht ein wenig gebeugt, aber nicht gebrochen. Shu war in Gewahrsam genommen worden, weil sie in einen Akt der Piraterie verwickelt gewesen war; damit hatte sie jegliche Rechte einer Bürgerin des Imperiums verwirkt. Keita hätte sie an Ort und Stelle erschießen lassen können, und eigentlich wollte er das auch. Oh, wie sehr er das wollte! Doch dafür war sie einfach zu wertvoll. Seine Sanitäter würden diese Frau genauso verhätscheln und verwöhnen, wie sie das beim Imperator persönlich täten, denn ihre Aussage würde Subrahmanyan Treadwell und Sir Amos Brinkman vor ein Exekutionskommando bringen.
Keita trat von dem Bett zurück, als bestehe tatsächlich Gefahr, sich anzustecken, dann ließ er sich Ben Belkassem gegenüber in einen Sessel fallen. Tannis Cateau stand neben ihm; ihr Gesicht war so bleich, dass sie fast wie ein Gespenst wirkte, und erdrückendes Schweigen lag im Raum, bevor der Inspector das Wort ergriff.
»Ich kann ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe das jetzt alles gehört, und ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte er und klang beinahe verwundert. »All diese Monate versuchen wir, die kaltblütigen Mistkerle zu erwischen, die hinter diesen Angriffen stecken, und dann finden wir am Ende so etwas heraus.«
»Ich weiß.« Keita verzog die Lippen, als wolle er auf das Deck spucken. »Ich weiß«, wiederholte er, »aber jetzt haben wir alles beisammen. Oder zumindest genug.« Er wandte sich Inspector Suarez zu, der dicht neben Ben Belkassem stand. »Wir werden ›Unternehmung Tabula Rasa‹ doch nicht einleiten müssen, Inspector.«
»Ich kann nicht behaupten, dass mir das leid tut«, entgegnete Suarez, »aber das hier ist fast noch schlimmer. Ich glaube nicht, dass jemals ein Sektorengouverneur wegen Hochverrats verurteilt wurde.«
»Irgendwann ist immer das erste Mal«, gab Keita grimmig zurück. »Wahrscheinlich sogar für so etwas.« Er schüttelte den Kopf. »Ich werde persönlich mit Admiral Leibniz sprechen; ich möchte nicht, dass - von den hier versammelten Personen abgesehen - irgendjemand von den Geschehnissen erfährt, bis wir Soissons erreichen.«
Er holte tief Luft, dann brachte er ein trauriges Lächeln zustande.
»Vielleicht ist das in gewisser Hinsicht sogar ganz gut so.« Erstaunt blickten ihn die anderen an, und das Lächeln des Brigadiers wurde etwas breiter. »So weit wären wir ohne Alley niemals gekommen, Tannis.« Er nickte Ben Belkassem zu. »Wenn man das noch mit dem zusammen nimmt, was der Inspector zu berichten hat, werden wir diesen Schießbefehl vielleicht doch noch außer Kraft setzen können.«
Auf Tannis' Gesicht zeichnete sich vage, zerbrechliche Hoffnung ab, doch Ben Belkassem sog so scharf die Luft ein, als hätte man ihm geradewegs in die Magengrube geschlagen. Verwirrt blickte sich Keita zum Inspector um und kniff die Augen zusammen, als er Ben Belkassems Gesichtsausdruck sah.
»Was ist?«, fragte er scharf.
»Alicia«, flüsterte Ben Belkassem. »Mein Gott, Alicia!«
»Was ist mit ihr?«
»Sie weiß Bescheid. Großer Gott im Himmel, sie weiß über Treadwell Bescheid!«
Erstaunt zuckte Keita zusammen. »Das ist doch lächerlich! Wie soll das denn möglich sein?«
»Die Computer.« Frustriert gestikulierte Ben Belkassem mit den Händen, als alle ihn nur verständnislos anblickten, und versuchte, seine Gedankengänge in Worte zu fassen. »Die Computer der Procyon! Als Megaira sich mit deren KI befasst hat, war Alicia zusammen mit ihr in diesem Netzwerk!«
»Wovon reden Sie denn da?«, fragte Tannis nach. »Das ist ... ich glaube, das
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