Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
nicht nahe genug.
Erneut überprüfte Horth die konvergierenden Vektoren und legte die Stirn in Falten. Auf seinem Kurs der AlphaSyntho-Einheit entgegen würde das Kurierschiff Soissons im Abstand von wenigen tausend Kilometern passieren, doch wenn die AlphaSyntho-Einheit ihre derzeitige Abbremsung beibehielt, würde sie sich weit hinter dem Planeten aufhalten, wenn es dessen Orbit durchquerte. Und das ergab überhaupt keinen Sinn, es sei denn ...
Sie erstarrte, gab neue Zahlen in die Extrapolationen ein, die ihr die Ortung übermittelt hatte, und wurde kreidebleich.
Schweigend stand Ben Belkassem im Cockpit, biss sich auf die Innenseite der Wange, bis er Blut schmeckte, und spürte die Anspannung, die rings um ihn herrschte. Die Geschwindigkeit des Kurierschiffes war jetzt auf zweiundsiebzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit abgesunken, doch Alicias deutlich leistungsfähigerer Antrieb hatte die Megaira auf kaum noch 0.88 c gedrosselt, trotz ihrer deutlich kürzeren Abbremsungsphase.
Niemand sagte ein Wort, und er fragte sich, ob Keita das Gleiche vermutete wie er. Wahrscheinlich. Tannis auch? Er schaute das kalkweiße, angespannte Gesicht des Majors an und wandte den Blick dann wieder ab. Sie mochte es sich vielleicht nicht selbst eingestehen wollen, doch auch ihr musste allmählich dieser Verdacht gekommen sein.
Erneut blickte er auf das taktische Display. Gott sei Dank hatte er Megaira die Codes von ›Abteilung O‹ überlassen. Wenigstens konnten sie miteinander reden, ohne dass der Abwehrleitstand ihr Gespräch mit anhören konnte - auch Treadwell nicht.
»Was zum ...?« Überrascht zuckte Boyce Anders zusammen und blickte seinen Vorgesetzten an. »Sir, Bogey Zwo hat gerade ein zweites Mal den Schub umgekehrt! Sie hat die Abbremsung abgebrochen und beschleunigt wieder!«
Emotionslos verarbeiteten Computer die neuen Daten, und Anders keuchte auf. »Oh Gott - sie ist auf Kollisionskurs mit Orbit One!«
Tannis stöhnte auf, als Alicia das Schiff wendete und ihren Fasset-Antrieb auf genau den Punkt ausrichtete, den Orbit One in zweiundvierzig Minuten und sechzehn Sekunden erreichen würde. Sie verwandelte ihren Antrieb in einen Schutzschild gegen das deutlich schwerere Feuer des inneren Festungsringes - und wenn sie Orbit One schließlich erreichte, würde die AlphaSyntho-Einheit praktisch die gesamte Geschwindigkeit wieder erreicht haben, die sie hier abgebaut hatte. Alicia würde mit 0.985 c fahren, wenn sie die Orbitalfestung rammte.
Siebenundfünfzig Minuten nachdem Keita die Nachricht abgesetzt hatte, traf sie auf die Empfänger der
Megaira.
Ohne jede Neugier blickte Alicia auf, als ein Kom-Bildschirm zum Leben erwachte. Sie erkannte das Gesicht, das darauf erschien, doch die Person, die sie gekannt und respektiert hatte - sogar geliebt -, war für sie tot, und die kraftvolle Stimme, die jetzt die Brücke erfüllte, war für sie bedeutungsloser als die grausamen Vibrationen, die unablässig den gesamten überlasteten Rumpf der Megaira peinigten.
»Alley, ich weiß, was du vorhast«, sagte die Stimme, »aber das brauchst du nicht zu tun. Wir haben unabhängige Bestätigungen erhalten, Alley; wir wissen, hinter wem du her bist, und ich schwöre dir, dass wir ihn auch in die Finger bekommen. Du hast genug getan - jetzt musst du diesen Angriff abbrechen.« Flehentlich blickte Sir Arthur Keita sie vom Bildschirm aus an, und seine Stimme klang rau vor Schmerz und dabei doch sehr sanft. »Bitte, Alley. Brich ab! Du brauchst nicht neuntausend Menschen umzubringen. Verwandle dich nicht in genau das, was du so sehr hasst!«
»Alley?« Auch Megairas körperlose Stimme klang sehr flehentlich. »Alley, die wissen über Treadwell Bescheid! Du brauchst nicht ...«
»Das ist egal! Die wussten auch über Watts Bescheid und haben den Dreckskerl am Leben gelassen! Meinst du vielleicht, jemand wie Treadwell hat nichts, was er ihnen anbieten könnte, um sein eigenes Leben zu retten?!«
»Aber Onkel Arthur hat dir sein Wort gegeben! Bitte, Alley! Bitte zwing mich nicht dazu, dir dabei zu helfen, dich selbst umzubringen!«
Zur Antwort stieß Alicia nur ein Fauchen aus. Sie wandte den Blick von dem Bildschirm ab, auf dem Keitas Gesicht sie immer noch anflehte, nachzugeben. Sie verschloss sich seiner Stimme gegenüber, blendete sie aus, und tief in ihrem Innersten, wo selbst Alicia es nicht mehr hören konnte, schluchzte eine gequälte Seele. Alicia richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf Orbit One, ignorierte die SBFs,
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