Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten

Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten

Titel: Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
Vom Netzwerk:
Tannis.«
    Ruckartig blickte Alley wieder zum Kom-Bildschirm hinüber, und ihr Zorn geriet ins Wanken. Ein sonderbarer Laut hing in der Luft, und Alicia begriff, dass er von ihr selbst stammte, ein unablässiges, tierisches Fauchen purer Wut. Scharf sog sie die Luft ein, legte in qualvoller Verwirrung die Stirn in Falten und starrte den Bildschirm an. Tannis? Was machte denn Tannis hier draußen?
    »Ich bin an Bord des Kurierschiffes vor dir, Alley«, erklärte Tannis, und Alicias Herz krampfte sich zusammen. Tränen glitzerten auf Tannis' Gesicht und färbten auch ihre Stimme, und ein kaum noch vorhandenes, zerfetztes Fragment der alten Alicia wand sich in Schmerzen, als sie das hörte. »Onkel Arthur ist bei mir, Sarge - und Ben Belkassem. Wir ... können nicht zulassen, dass du das tust.«
    Alicia versuchte, zu sprechen, versuchte, Tannis zuzuschreien, sie solle ihr aus dem Weg gehen, solle sie passieren lassen, sodass sie Tod und Vernichtung bringen konnte. Sie wollte Tannis zurufen, sie solle um ihr Leben rennen, doch sie brachte keinen Ton hervor, und so sprach Tannis weiter, während die pfeilschnellen Schiffe weiterhin aufeinander zurasten und sich mit anderthalbfacher Lichtgeschwindigkeit einander näherten.
    »Bitte, Alley«, flehte Tannis sie an. »Wir kennen die Wahrheit. Onkel Arthur weiß Bescheid. Wir haben die Haftbefehle bei uns. Wir kriegen ihn, Alley - ich schwöre es dir! Bitte tu das nicht! Zwing uns nicht dazu, dich zu töten!«
    Unerträglicher Schmerz durchzuckte Alicia. Sie wollte Tannis sagen, alles sei gut so, man müsse sie töten. Es war nicht der Tod, der sie vor Qual zusammenschrecken und schließlich doch wieder Tränen in ihre Augen steigen ließ. Es war Tannis' Stimme, Tannis' Trauer - und das Wissen, dass es nur eine Möglichkeit für dieses unbewaffnete Kurierschiff gab, sie zu töten.
    »Bitte«, flüsterte sie in die Stille der metallenen Schotts hinaus. »Oh bitte, Tannis. Nicht auch du!«
    Doch der Transmitter war tot; nur Megaira und Tisiphone hörten ihre Qualen, und Tannis auf dem Kom-Bildschirm atmete tief durch.
    »Also gut, Alley«, flüsterte sie. »Wenigstens macht es dann kein Fremder.«
    Taumelnd erhob sich Alicia DeVries aus ihrem Kommandosessel und hämmerte mit der bloßen Faust auf das Kom ein. Am geborstenen Plastik riss sie sich die Hand auf, bis ihr das Blut über die Hände strömte, und ein tierischer Schrei voller Trauer und Verlust übertönte sogar das Heulen des gequälten Antriebs der Megaira. Alicia riss die Einheit aus der Konsole heraus und schleuderte sie auf das Deck, doch sie konnte die Erinnerung nicht zerstören, konnte nicht aufhören, wurde das Wissen nicht mehr los, wen sie nun töten würde, und Hass und Verlust und Trauer führten zu einer Qual, die nicht einmal der Tod würde auslöschen können.
    »Sie wird nicht abbrechen«, flüsterte Keita tonlos, und Tannis schluchzte leise - das war Bestätigung genug.
    Ben Belkassem nickte nur und optimierte den Kurs.
    Das Wesen namens Tisiphone besaß keine Augen. Noch niemals hatte dieses Wesen geweint, denn es kannte keine Trauer, kein Mitleid, keine Liebe. Derartige Dinge waren Tisiphone gänzlich fremd, waren kein Teil der Wesenheit, die zu sein man sie geschaffen hatte.
    Bis jetzt.
    Sie spürte Megairas unendliche Trauer noch durch den Schutzwall hinweg, den sie zwischen Alicias Wahnsinn und der KI aufgebaut hatte, fühlte sie wie einen blassen, blutleeren Schatten der Qualen, die Alicia selbst gerade durchlitt. Die Qualen, die sie selbst herbeigeführt hatte. Das Leid, das sie einer Unschuldigen aufgebürdet hatte. Nur noch ein winziger Schatten von Alicia DeVries hatte überlebt, und die Schuld daran lag einzig und alleine bei Tisiphone. Sie hatte die größte Kriegerin, die sie jemals kennen gelernt hatte, in ein vom Hass in den Wahnsinn getriebenes Tier verwandelt, das nur der Tod noch aufhalten konnte. Und was noch viel, viel schlimmer war: Alicia wusste, was hier geschah. Irgendwo tief in ihrem Innersten starrte sie voller Grauen das Wesen an, zu dem sie geworden war, und bettelte um den Tod.
    Tisiphone betrachtete das Werk, das sie geschaffen hatte, und schrak entsetzt zurück. Sie begriff, dass sie sich hatte korrumpieren lassen. Sie hatte Alicia DeVries gebrochen, hatte ihre Vorstellung von Gerechtigkeit und Gnade zerstört, ihre Vorstellung von Mitgefühl und Ehre, und noch während Tisiphone ihrem Opfer all diese Dinge geraubt hatte, hatte sie sich selbst davon anstecken lassen. Von

Weitere Kostenlose Bücher