Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Riebeck grinste, und vom Eingang des Fitnessraums war Applaus zu hören. Alicia rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Dann strich sie sich das schweißnasse Haar aus den Augen und sah, dass es Tannis Cateau war, die hier so heftig applaudierte.
»Ich gebe neun Komma fünf für die zur Schau gestellte Dramatik und ... ach, sagen wir drei Komma zwei für die Koordination.« Alicia drohte ihr mit der Faust, und Tannis lachte leise in sich hinein. »Ich sehe schon, Pablo ist so sadistisch wie eh und je.«
»Man bemüht sich, Ma'am Major«, erwiderte de Riebeck und grinste verschlagen. Alicia lachte, und Tannis streckte ihr die Hände entgegen, um ihrer Freundin wieder auf die Beine zu helfen.
»Weißt du, ich hätte ja nicht gedacht, dass ich das jemals zugeben würde, aber genau das ist es, was ich vom Kader vermisst habe«, keuchte Alicia und massierte sich mit beiden Händen die rekonstruierte Oberschenkelmuskulatur. Die verheilten Muskelstränge schmerzten, aber es war dieser angenehme Schmerz ausgiebigen Trainings; mit einem Seufzer richtete Alicia sich wieder auf. Obwohl man sie wieder in den aktiven Dienst zurückberufen hatte, weigerte sie sich, sich das Haar schneiden zu lassen, und einzelne Strähnen hatten sich wieder einmal aus ihrer Spange gelöst. Alicia strich ihr Haar wieder zurück, klammerte es erneut zusammen und rieb sich dann mit einem Handtuch über das Gesicht.
»Ich glaube, ich werd's wohl doch noch überleben, Pablo.«
»Ach, verdammt. Naja, morgen ist ja auch noch ein Tag.«
»Was für ein beruhigender Gedanke.« Alicia legte sich das Handtuch um den Hals und wandte sich wieder Tannis zu. »Darf ich annehmen, dass du aus einem anderen Grund hierhergekommen bist, als mich aus den Klauen von Lieutenant de Sade zu retten?«
»Allerdings. Onkel Arthur möchte dich sprechen.«
»Oh.« Jegliche Belustigung schwand aus Alicias Stimme, und mit beiden Fingern nestelte sie unruhig an ihrem Handtuch. Dass es ihr bislang gelungen war, Keita aus dem Weg zu gehen, sorgte dafür, dass sie sich tatsächlich ein wenig schuldig fühlte, doch sie wollte ihn wirklich nicht sehen müssen. Nicht jetzt, vielleicht niemals wieder. Mit ihm zusammenzutreffen, würde zu viele schmerzhafte Erinnerungen zurückkehren lassen ... und den Gerüchten zufolge, die beim Kader kursierten, gehörte zu den geheimnisvollen Kräften dieses alten Soldaten auch die Telepathie. Zumindest gab er Alicia immer das Gefühl, ihr Schädel bestehe aus klarstem Glas.
»Es tut mir leid, Sarge, aber er besteht darauf. Und ich selbst halte das auch für eine gute Idee.«
»Warum?«, fragte Alicia unumwunden nach, und Tannis zuckte die Achseln.
»Hör mal, du hast mir nie erzählt, warum du beim Kader ausgestiegen bist.« Ihren braunen Augen war die Erinnerung abzulesen, wie sehr sie das geschmerzt hatte, doch ihre Stimme klang völlig ruhig. »Aber eines weiß ich genau, was auch immer dein Grund gewesen ist, es ist dir nicht darum gegangen, Onkel Arthur aus dem Weg zu gehen. Und vor dem hast du dich jetzt lange genug versteckt.«
Ruhig hielt sie Alicias Blick stand, und Alicia hörte das unterschwellige ›und vor mir auch‹ so klar und deutlich, als hätte ihre Freundin die Worte tatsächlich ausgesprochen.
»Es wird Zeit, dass du dich ihm stellst«, fuhr Tannis kurz darauf fort. »Was auch immer deine Gründe nun auch gewesen sein mögen, du hast ihn nicht irgendwie dadurch ›enttäuscht‹, dass du aus dem Dienst ausgeschieden bist. Aber das wirst du selbst erst begreifen, wenn du mit ihm persönlich gesprochen hast. Nenn es ruhig ›Absolution‹, wenn du magst.«
»Ich brauche keine ›Absolution‹!«, fauchte Alicia, und in ihren Jadeaugen loderte plötzliches Feuer auf. Tannis grinste schief.
»Und warum bist du dann plötzlich so sauer? Kommen Sie, Sarge!« Sie hakte sich bei Alicia unter. »Es wundert mich, dass du mit der Abschlussbesprechung so lange gewartet hast, also kannst du es genauso gut jetzt gleich hinter dich bringen.«
»Du kannst einem wirklich ordentlich auf die Nerven gehen, Tannis.«
»Wie wahr, wie wahr. Jetzt setzen Sie sich in Bewegung, Sarge!«
»Kann ich mich nicht wenigstens erst frischmachen?«
»Onkel Arthur weiß, wie Schweiß riecht. Also los jetzt!«
Alicia seufzte, doch so fröhlich Tannis auch klingen mochte, in ihrer Stimme schwang eiserne Entschlossenheit mit - und sie hatte ja auch recht. Alicia konnte nicht so tun, als wäre Keita einfach nicht hier, sosehr sie sich auch
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