Weg des Zorns 02 - Der Zorn der Gerechten
Antrieb überhaupt in einen Großraumfrachter einzubauen. Von der Größe her schien es ziemlich genau zwischen einem leichten und einem schweren Kreuzer zu liegen; insgesamt war es vielleicht vierhundert oder fünfhundert Meter lang - wenn man sich, was Größenordnungen anging, nur an Werftshuttles orientieren konnte, war es schwer, das genauer abzuschätzen -, doch irgendjemand hatte dabei tatsächlich den Antrieb eines Schlachtschiffes verbaut, und das versprach beachtliche Geschwindigkeiten.
Ihr Transporter kam näher und näher; er steuerte einen Terminal an, und Alicia riss die Augen auf, als sie die ausgekehlten Geschützpforten erkannte. Es waren deutlich mehr davon zu sehen, als sie in einem derart kleinen Rumpf erwartet hätte, vor allem, wenn dazu noch ein so großer Antrieb kam. Es sei denn ...
Scharf sog sie die Luft ein.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, das ist eine AlphaSyntho.«
»Tatsächlich?« In Tisiphones wortloser Stimme schwang unverkennbares Interesse mit, denn über AlphaSyntho-Schiffe hatte sie bereits einiges aufgeschnappt, vor allem aus dem Datennetz des Transporters - in den als ›vertraulich‹ eingestuften Datenbanken. »Ich habe nicht gedacht, dass die so klein sein könnten.«
»Na ja, die Besatzung besteht nur aus einer einzigen Person, und sie sind wirklich das Neueste vom Neuesten. Dass so etwas überhaupt gebaut wird, ist nur möglich, weil irgendjemand endlich eine funktionierende Energieversorgungsanlage auf Antimaterie-Basis konstruiert hat - ganz zu schweigen von den AlphaSyntho-KIs, natürlich.«
Das kleine Schiff trieb aus ihrem Blickfeld, als der Transporter längsseits zu dem Terminal ging, und Alicia lehnte sich in ihrem Sessel zurück und fragte sich, wie es wohl wäre, ein AlphaSyntho-Pilot zu werden.
Auf jeden Fall schon einmal ›einsam‹. Gerade einmal zwanzig Prozent aller Menschen vermochten überhaupt den Kontakt zu tolerieren, der erforderlich war, ein SynthoLink aufrechtzuerhalten, ohne ›sich zu verlieren‹, und weniger als zehn Prozent kamen mit einem Cyber-SynthoLink zurecht, das es ihnen gestattete, ihre eigenen Gedanken mit einer künstlichen Intelligenz verschmelzen zu lassen. Viele der Kandidaten, die dazu theoretisch in der Lage gewesen wären, weigerten sich schlichtweg - und das war durchaus verständlich, schließlich neigten KIs nun einmal zu gewissen Exzentrizitäten und durchaus häufig auch zu Anfällen von Wahnsinn.
Doch anhand dessen, was Alicia bislang darüber gelesen und anderweitig aufgeschnappt hatte, waren die Menschen, die sich bereiterklärten, sich tatsächlich mit einer AlphaSyntho einzulassen (und das auch taten!) noch sehr viel seltener - und wahrscheinlich hatten sie samt und sonders nicht mehr alle Latten am Zaun. Die Wissenschaftler mochten ja immens stolz darauf sein, endlich eine KI entwickelt zu haben, die nicht mehr dazu neigte, dem Wahnsinn anheim zu fallen, doch wer, so er noch ganz bei Sinnen war, würde sich freiwillig bereiterklären, sich dauerhaft mit einem Computer verschmelzen zu lassen, der über ein eigenes Bewusstsein verfügte? Alicia beispielsweise fand die Vorstellung, zur biologisch-organischen Hälfte einer bipolaren Intelligenz zu werden - und das durch eine Prägung, die nur der Tod zu lösen vermochte -, alles andere als ansprechend.
Unwillkürlich lachte sie auf. Einige der anderen Anwesenden drehten sich zu ihr herum, und sie lächelte die Neugierigen fröhlich an; es belustigte sie, miterleben zu müssen, wie ruckartig sie den Blick wieder von ihr abwandten. Wahrscheinlich ist das für die ein weiterer Beweis dafür, dass ich völlig bekloppt bin, dachte sie, doch sie empfand den Gedanken wirklich als belustigend. Ausgerechnet sie hatte also Probleme damit, sich vorzustellen, wie es sein müsse, mit einer anderen Persönlichkeit zu verschmelzen - ausgerechnet sie!
Erneut lachte sie in sich hinein, dann leerte sie ihr Glas und stand auf, gerade als Tannis die Lounge betrat. Das ein wenig angespannte Lächeln ihrer Freundin verriet Alicia, es sei Zeit, von Bord zu gehen und sich den Psychotanten und -onkeln dieser Welt zu stellen, und so seufzte sie und stellte ihr leeres Glas ab. Dabei fragte sie sich, ob ihr eigenes Lächeln wohl genauso aufgesetzt wirkte.
Fleet Admiral Subrahmanyan Treadwell, Generalgouverneur des Franconia-Sektors, konnte Planeten nicht ausstehen.
Er war in einem Habitat im Asteroidengürtel des Sol-Systems geboren und dort auch aufgewachsen, und so
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