Weg in die Verdamnis
Zeit einnisten können. Und ich soll es vernichten.«
Mein Mund zeigte plötzlich ein Lächeln. »Dann sind Sie der Kammerjäger.«
»Ja, ich bin Paul Jurec, einer von vielen Kammerjägern bei uns hier in Wien. Über mangelnde Arbeit können wir uns nicht beklagen.«
»Dann werden Sie bestimmt nicht verhungern«, sagte ich.
»Darauf können Sie Gift nehmen. Was glauben Sie, warum ich vor vier Jahren meinen Job bei einer Bank aufgegeben habe? Weil der Verdienst hier besser ist. Ich habe mich umschulen lassen, und ab ging die Post.«
Er fing an zu lachen. »Nur muß man immer damit rechnen, daß die meisten Menschen das Gesicht verziehen, wenn Sie einen Kammerjäger bestellen. Oft komme ich heimlich, zumindest in die Villen, bei den Wohnsilos sieht es anders aus.« Er deutete zur Decke hoch. »Da schaffen es die Schaben sogar bis in den zehnten Stock oder noch höher. Ratten steigen aus den Toiletten. Sie sind einfach nicht aufzuhalten.« Er hob die Schultern. »Tja, dann werden eben wir geholt.«
»Und Sie bereinigen die Sache.«
»Ja, wenn man uns Zeit läßt. Man braucht manchmal Monate, dieses Haus ist dafür das beste Beispiel.«
»Wenn Sie das sagen…«
Er schob seinen Helm zurück und zog die Nase hoch. »Ich will ja nicht neugierig sein, mein Herr, aber Sie tragen eine Waffe bei sich? Sind Sie ein Detektiv, ein Agent oder so? Ich meine, Wien war ja schon immer eine Drehscheibe für Agenten.«
»Ich bin weder das eine noch das andere, sondern ein ganz schlichter Polizist.«
»Ach.«
»Ja, Scotland Yard…«
»Hoi«, sagte er, »so berühmt. Hat dort nicht der gute alte Sherlock Holmes gearbeitet?«
»Nein, der war selbständig.«
Er winkte ab. »Da sieht man wieder, wie man sich irren kann. Ich bin noch immer neugierig. Wen oder was haben Sie denn in diesem leeren Bau gesucht?«
»Einen Mann«, erwiderte ich.
»Aber nicht mich?«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Wen denn?«
Einweihen konnte ich ihn nicht. Außerdem wußte ich selbst nicht genug.
Deshalb fragte ich. »Sie haben nicht zufällig hier jemanden gesehen, Herr Jurec?«
Er runzelte die Stirn. »Wen sollte ich denn gesehen haben? Den Mann, den Sie suchen?«
»Ja.«
Er schüttelte den Kopf. »Außer uns beiden ist wohl niemand hier, das kann ich Ihnen versichern. Zumindest habe ich keinen gesehen, und ich bin etwa seit einer Stunde hier.«
»Waren Sie überall?«
»Noch nicht oben. Es fehlen noch einige Etagen. Aber da wird es nicht anders aussehen als auch hier und weiter unten. Überall nur Ungeziefer.«
»Na ja, das habe ich nicht gerade gemeint, aber wenn Sie auch niemanden gesehen haben, ist das schon okay.«
Paul Jurec war neugierig geworden. »Sagen Sie mal ehrlich, Herr…«
»Ich heiße John Sinclair.«
»Gut, Herr Sinclair. Wen suchen Sie hier eigentlich? Einen Gangster aus Ihrer Heimat, der sich nach Wien abgesetzt hat?«
»Nicht direkt aus meiner Heimat. Er agiert mehr im internationalen Geschäft.«
»Hoi – sagen Sie nur. Ein Verbrecher, wie?«
»Im großen Stil.«
»Und der soll hier sein?«
»Ich habe ihn hier vermutet. Aber wie es aussieht, bin ich wohl einem Irrtum erlegen.«
Jurec hielt einen Finger an die Lippen. »Da wäre ich mir an Ihrer Stelle nicht so sicher. Sie müssen bedenken, daß dieses Haus oft genug als Unterschlupf gedient hat. Den Dreck haben nicht die Ratten hereingetragen, das waren die Menschen. Durch ihr unverantwortliches Handeln haben sie es dem Ungeziefer erst ermöglicht, sich hier heimisch zu fühlen.«
»Das stimmt wohl.«
»Darauf können Sie sich sogar verlassen.«
»Okay, Herr Jurec, dann werde ich mich mal wieder zurückziehen.«
»Wollen Sie das Haus verlassen?«
»Das nun nicht. Ich hatte vor, mich noch in den oberen Etagen umzuschauen. Außerdem möchte ich die Wohnungen an der gegenüberliegenden Seite durchsuchen.«
Paul Jurec hob die Schultern. »Das ist Ihr Problem und Ihr Job. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie begleite?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Okay, dann wollen wir. Warten Sie, ich hole nur eben meinen kleinen Bruder.«
Bruder? Ich runzelte die Stirn und sah, wie der Mann in einem Zimmer verschwand. Er kehrte schnell zurück. Was er als seinen kleinen Bruder bezeichnet hatte, war ein hellblau angestrichener Holzkoffer. »In ihm bewahre ich das auf, was ich brauche«, erklärte er mir. »Hier ist so einiges vorhanden, was meinen Freunden nicht gerade schmeckt.«
»Also Gift!«
»Erraten.«
Wir verließen die Wohnung und blieben im breiten
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