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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Walach
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Voraussetzungen. Die herrschende Methode etwa zur Bestimmung, ob eine therapeutische Maßnahme wirksam ist – die doppelblinde Studie nämlich –, basiert auf sehr vielen impliziten Voraussetzungen. Oftmals wird den komplementärmedizinischen Maßnahmen vorgeworfen, sie seien nicht »den geltenden
Standards gemäß« evaluiert. Das ist so etwa bei der Homöopathie, aber auch bei anderen Verfahren. Man denkt dann, dass die geltenden Standards der Methodik unverrückbar feststehen und alles auf diese Art und Weise gemessen und bewiesen werden müsse. Es ist so, als hätte man einen Meterstab, geeicht am Urmeter in Paris, und alles muss mit diesem Maß gemessen sein, dann hat es eine definierte Länge. Möglicherweise hat aber das, was man messen will, gar keine Länge, oder die Länge ist irrelevant. Dafür hat es eine Farbe. Diese kann man aber mit einem Metermaß nicht messen. Dumm gelaufen. Dann sagt der Standardwissenschaftler aus dem IQWiG: die Länge von x kann nicht gemessen werden, also ist es unbrauchbar. Dass x aber blau ist, und blau genau das ist, was wir brauchen, übersieht er vielleicht. Was noch schlimmer sein könnte: Das »Metermaß«, mit dem wir messen (die Doppelblindstudie), verwendet einen Maßstab, der sich dauernd verändert. Denn es wird eine Gruppe von Patienten beobachtet, die nur mit einer Scheinarznei, einem Placebo, behandelt wird, und eine, die die richtige Arznei erhält. Wir denken, der Effekt in der Placebogruppe sei immer gleich. Denn alle erhalten ja immer die gleiche Zuwendung wie die Behandlungsgruppe, sind gleich lang in der Studie und bekommen die gleichen Untersuchungen. Der Effekt in der Placebogruppe ist aber nicht gleich. Er verändert sich mit dem Kontext, den Erwartungen und den klinischen Botschaften. Daher haben wir ein »Urmeter«, das schrumpft und wächst – je nach Kontext. Und daher ist auch die Information, die aus dem Unterschied beider Gruppen kommt, nur bedingt hilfreich und aussagekräftig.
    All das ist zu beachten. Ich werde es zu gegebener Zeit noch genauer erläutern. Vorläufig sind wir fürs Weitere gerüstet. Ich habe hoffentlich das Folgende plausibel machen können:
Wissenschaft kommt, wie alle menschlichen Handlungen, nicht ohne implizite Voraussetzungen aus, die sie macht, ohne groß darüber zu reflektieren. Die Voraussetzungen sind vielmehr notwendig, damit Wissenschaft überhaupt funktioniert.
Darin gleicht sie unserer gesamten Art wahrzunehmen. Denn unsere Wahrnehmung ist – evolutionär gesehen sehr sinnvoll – äußerst konstruktiv und selektiv. Sie nimmt wahr, was sich verändert und was ihr die Aufmerksamkeit als wertvoll vorgibt.
Was die Voraussetzungen für die Wissenschaft sind, ist der Aufmerksamkeitsfokus für die Wahrnehmung. So, wie der Wahrnehmungsfokus und die Sinneskanäle mit ihren Begrenzungen das definieren, was wir überhaupt wahrnehmen können, so definiert das derzeit geltende wissenschaftliche Paradigma, was wir kollektiv als Gesellschaft wahrnehmen können. Dies geschieht vermittels der Wissenschaft, unseres kollektiven Wahrnehmungsorgans.
Dieses Paradigma (die kollektive Wahrnehmungsvoraussetzung) hilft uns bei der Wahrnehmung. Es begrenzt uns aber auch. Was nicht in das Paradigma hineinpasst, gilt als Anomalie.
Meistens werden Anomalien von Wissenschaftlern erst einmal ignoriert und erst dann aufgegriffen, wenn es nicht mehr anders geht. Eine andere, vielleicht gerade jetzt und gerade am Beispiel der Medizin sinnvolle Strategie ist es, solche Anomalien ernst zu nehmen. Sie weisen dann oft den Weg zu einer Erweiterung des alten Weltbildes.
    Um eine solche Erweiterung geht es im Folgenden.

4.
Der Körper als Maschine
    Ein Bekannter von mir – nennen wir ihn Helmut – musste sich einer Bypass-Operation unterziehen, weil er akute Angina-pectoris-Beschwerden bekam und bei einer Diagnosesitzung mit bildgebenden Verfahren festgestellt wurde, dass einige Koronararterien zugefallen waren. Klassischer Befund. Koronare Herzkrankheit und damit einhergehender Herzinfarkt sind schließlich Todesursache Nummer eins. Mein eigener Vater fiel eines frühen Morgens tot um, weil er seine Angina-pectoris-Zeichen nicht beachtet bzw. falsch eingeordnet hatte. Das gibt es manchmal, wenn die Probleme an der Hinterwand des Herzens liegen; dann spürt man sie vor allem in der linken Schulter und denkt vielleicht, man habe sich die Schulter verrenkt. Das hat mein Vater immer von sich behauptet. Mein Vater starb, als ich 41 Jahre alt war, im

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