Weg mit den Pillen
der zweite große Killer der Menschheit – genauer gesagt der noch größere, denn mehr Leute sterben an Herzinfarkt als an Krebs: 29 Prozent weltweit. 76 Bei der koronaren Herzkrankheit, das hatte ich bereits geschildert, verschließen sich eine oder mehrere Herzkranzgefäße. Das führt zu einer Unterversorgung des Herzens mit Blut und im Ernstfall zum Infarkt, also zum Absterben eines Teils des Muskels. Das Herz hört zu schlagen auf. Wenn der Patient nicht wiederbelebt werden kann, stirbt er. Die größte je durchgeführte Studie an einer halben Million Personen hat gezeigt, dass 90 Prozent des Risikos von Männern, einen Herzinfarkt zu erleiden, auf neun Risikofaktoren zurückgehen. Alle davon sind lebensstilbedingt, und die wichtigsten sind wiederum Übergewicht und Ernährung, Rauchen und Stressbelastung. 77
Ich habe oben bereits in verschiedenen Zusammenhängen auf die verschiedenen chirurgischen Möglichkeiten und ihre Erfolge und Probleme hingewiesen. Wir hatten gesehen, der Nimbus der Chirurgie als heilmächtige Kunst trägt neben den mechanischen Prozessen zu den Erfolgen maßgeblich bei. Wenn nun Lebensstilfaktoren so wichtig sind, lassen sich womöglich durch eine Umstellung der Ernährung die Probleme wieder beheben und die koronare Herzkrankheit zurückbilden? Ja, das belegen die Studien von Dean Ornish klipp und klar. Bereits in der ersten Studie 1983 konnte er zeigen, dass Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die auf die vegetarische
Diät umgestellt wurden, eine höhere Belastbarkeit und Auswurfleistung des Herzens zeigten und dass bei 91 Prozent der Patienten die Angina-pectoris-Probleme verschwunden waren. Das Cholesterin nahm ab und insgesamt waren alle gemessenen Werte verbessert. 78 In einer Nachfolgestudie konnte er dann auch zeigen, dass sich bei Patienten mit schwerem Gefäßverschluss die Verengung verbesserte, während sie in der Kontrollgruppe zunahm. Bei 82 Prozent der Patienten war eine Verbesserung bis hin zu einer Rückbildung der Krankheit feststellbar. Wie groß der Erfolg war, hing davon ab, wie stark die Patienten die Ratschläge befolgt hatten und die Diät einhielten, auch nachdem die intensive Trainingsphase vorbei war. 79 Diese Effekte sind auch nach 5 Jahren stabil und noch immer in der gleichen Tendenz zu beobachten, und die Verbesserungen der Herzleistung sind auch objektiv mit bildgebenden Verfahren dokumentierbar. 80
Die Normalstrategie der medizinischen Therapie, die nicht sehr viel schlechter als die chirurgischen Strategien ist, besteht ja darin, durch pharmakologische Eingriffe das Risiko zu mindern. Dazu würde man einen Lipidsenker verwenden, einen Blutdrucksenker, z. B. einen Beta-Blocker oder einen Angiotensin-Antagonisten, Folsäure und Aspirin. Damit ließe sich das Herzinfarktrisiko um mehr als 80 Prozent reduzieren, man würde 11 Lebensjahre gewinnen und müsste bei etwa 15 Prozent der Patienten mit Nebenwirkungen rechnen. 81 Die Kosten würden sich, verglichen mit den 50 000 – 20 000 $ pro Bypass-Operation oder 15 000 – 30 000 $ pro minimalinvasivem Eingriff in Grenzen halten. Klingt doch eigentlich ganz plausibel, oder? Warum denn diese komplexen Lebensstilveränderungen und nicht einfach Pillen?
Immerhin wurden im Jahr 2006 in den USA 20 Milliarden $ für Statine ausgegeben. Allerdings nehmen 60 Prozent der Patienten nach 6 Monaten diese Pillen nicht mehr. Warum? Weil sie keinen unmittelbaren Nutzen spüren aber möglicherweise Nebenwirkungen. Das Einführen eines neuen Lebensstils hingegen ist mit dem Zugewinn von Lebensqualität verbunden. Man muss keine Pillen mehr schlucken, man fühlt sich wohler. Wer weniger Gewicht hat, reduziert
nicht nur sein Herzinfarktrisiko, sondern auch sein Risiko, an Krebs oder Demenz zu erkranken. Er schont seine Gelenke und kriegt weniger leicht Arthrose. Wer sich vernünftig ernährt, hat es auch in anderen Bereichen des Lebens leichter. Die letzte große Studie von Lebensstilveränderung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit zeigte, dass bei 80 Prozent der Patienten eine Operation zur Verbesserung der Blutversorgung verhindert werden konnte. Das sparte allein im ersten Jahr pro Patient 30 000 $. 82 Außerdem muss man folgendes Argument bedenken: Der übermäßige Fleischkonsum in den industrialisierten Ländern hat eine riesige Agrarindustrie im Rücken. Die Tiere brauchen viel Nahrung, viel Platz und stoßen riesige Mengen von Treibhausgasen aus, mehr als aller Verkehr zusammengenommen. Ein Drittel der
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